Rz. 24
▪ Bosnien-Herzegowina
In Bosnien-Herzegowina kommt ein Ausgleich lebzeitiger Zuwendungen immer dann in Betracht, wenn die Nachlassmasse nicht zur Befriedigung etwaiger Pflichtteilsansprüche ausreicht. Die Schenkungskürzung erfolgt zeitlich umgekehrt. Daraus folgt, dass die zeitlich späteren Schenkungen zuerst zurückgefordert werden. Wichtig zu beachten ist in diesem Kontext, dass nur diejenigen Schenkungen zurückgefordert werden können, die bei der Bestimmung der Nachlassmasse im Rahmen der Pflichtteilsbestimmung Berücksichtigung gefunden haben. Im Übrigen werden gemachte Geschenke auf den Erbteil des Miterben angerechnet, sofern der Erblasser den Miterben hiervon nicht befreit hat.
Rz. 25
▪ Deutschland
Nach deutschem Erbrecht sind gemäß § 2050 BGB Abkömmlinge als gesetzliche Erben verpflichtet dasjenige auszugleichen, was sie zu Lebzeiten des Erblassers von diesem unentgeltlich erlangt haben. Die Ausgleichungspflicht nach § 2050 BGB trifft in Deutschland nur gesetzliche Erben und dort nur die Abkömmlinge. An der Ausgleichung nehmen hingegen weder der Ehegatte noch andere Miterben teil, welche keine gesetzlichen Erben sind. Folgerichtig finden sie auch bei der Ausgleichsberechtigung keine Berücksichtigung. Darüber hinaus sind testamentarische Erben zur Ausgleichung gemäß § 2052 BGB verpflichtet, wenn die gewillkürte Erbeinsetzung der gesetzlichen Erbregelung gleicht (Auslegungsregel). Die Ausgleichungspflicht tritt auch ein, wenn ein Vorausvermächtnis angeordnet wurde, der Erblasser sich ansonsten aber an der gesetzlichen Erbfolge orientiert hat. Ist eine Zuwendung an einen entfernten Abkömmling angeordnet worden, so trifft diesen nur eine Ausgleichungspflicht, wenn der Schenker diese bei der Zuwendung angeordnet hat. Die Anrechnung erfolgt in der Weise, dass jedem ausgleichungspflichtigen Erben dasjenige auf den Erbteil angerechnet wird, was er unentgeltlich erlangt hat.
Rz. 26
▪ Finnland
In Finnland sind Vorempfänge auszugleichen, wenn die Zuwendung an gesetzliche Erben unentgeltlich erfolgt ist. Das Empfangene müssen sich die gesetzlichen Erben auf den Erb- oder auf den Pflichtteil anrechnen lassen. Dabei gibt es eine juristisch interessante Vermutungsregel: Bei gesetzlichen Erben wird nämlich stets vermutet, dass ein unentgeltlicher Vorempfang auszugleichen ist, wohingegen bei einem gewillkürten Erben, welcher nicht gesetzlicher Erbe ist, die Vermutung besteht, dass der Vorempfang nicht auszugleichen ist. Unabhängig von dieser Vermutungsregel besteht jedoch die Möglichkeit, dass der Erblasser anordnet, dass ein entsprechender Vorempfang nicht auszugleichen ist. Die Anrechnung erfolgt dabei erst, wenn sämtliche Nachlassverbindlichkeiten gezahlt sind. Erst danach werden die Quoten gebildet und angerechnet.
Rz. 27
▪ Norwegen
In Norwegen kommt es zu einer Kürzung zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Erben. Wenn beispielsweise einem "Leibeserben" zu Lebzeiten ein Vorschuss aus Mitteln des Gemeinschaftsguts der Ehegatten gewährt wurde, begründet dies einen Kürzungsanspruch des überlebenden Ehegatten gegen den "Leibeserben" gemäß § 39 S. 3 AL. Darüber hinaus sind ansehnliche Schenkungen, welche ein "Leibeserbe" zu Lebzeiten erhalten hat, vom Erbteil abzuziehen, wenn der Erblasser die übrigen "Leibeserben" nicht entsprechend in gleicher Weise bedacht hat.
Rz. 28
▪ Schweiz
Nach Schweizer Recht werden lebzeitige Zuwendungen des Erblassers an die gesetzlichen Erben gemäß Art. 626 ff. ZGB ausgeglichen. Dies erfolgt im Wege der Anrechnung des Wertes (Idealausgleichung gem. Art. 628 Abs. 1, 2. Alt ZGB). Unterschieden wird zwischen "Zuwendungen mit Ausstattungscharakter" und "Ausbildungskosten". Die Abgrenzung erfolgt anhand der Vermögensverhältnisse des Erblassers. Es besteht sogar die Möglichkeit, über den eigentlichen Erbteil hinaus zu viel Empfangenes zurückzugeben (Realausgleichung gem. Art. 628 Abs. 1, 1. Alt ZGB), wenn nicht ein nachweisbarer Begünstigungswille des Erblassers vorlag. Bei einer Ausstattung anlässlich einer Hochzeit beispielsweise sowie den Fällen des Art. 628 Abs. 2 ZGB wird dies jedoch gemäß Art. 629 schweiz. ZGB stets vermutet.
Rz. 29
▪ Türkei
Auch in der Türkei findet im Rahmen der Auseinandersetzung gemäß Art. 669 ff. ZGB ein Ausgleich von Vorteilen (denkleştirme) statt. Diese Vorteile müssen "ungewöhnlich" sein, damit sie zur Ausgleichung gelangen. Ungewöhnlich wiederum wird ein Vorteil, wenn es sich um eine Mitgift, Schuldenerlass, Vermögensabtretung oder Gründungskapital u.Ä. handelt. Dem Erblasser steht es jedoch frei, diese Ausgleichungspflicht zu unterbinden.