Rz. 66
Haben die Eheleute keine Rechtswahl getroffen, so ergibt sich – wie in Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 EGBGB – aus Art. 26 Abs. 1 EuGüVO eine Anknüpfungsleiter:
1. |
Vorrangig ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Ehegatten nach der Eheschließung ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben, Art. 26 Abs. 1 lit. a EuGüVO. Leben diese schon bei Eheschließung gemeinsam dauerhaft in demselben Staat, so gilt das Recht dieses Staates, auch wenn die Eheleute die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates haben. Das Aufenthaltsrecht gilt auch dann, wenn der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt erst nach der Eheschließung begründet worden ist. Ungeklärt ist hier allerdings noch, wie lange der Zeitraum zwischen Eheschließung und Aufenthaltsbegründung sein darf. In der Literatur wird eine "kurze Frist" verlangt – also überwiegend wohl bis zu einem Jahr. Die Aufenthaltsbegründung wirkt dann auf den Zeitpunkt der Eheschließung zurück. Für die Zwischenzeit tritt quasi ein "Schwebezustand" ein. Unklar ist hier der Fall, wenn beide Eheleute bei Heirat in demselben Staat, aber an verschiedenen Orten leben. Sie haben dann keinen "gemeinsamen" gewöhnlichen Aufenthalt. Die Literatur spricht dem Tatbestandsmerkmal der "Gemeinsamkeit" die Bedeutung ab und bejaht in diesem Fall eine Geltung des Rechts des Staates, "in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben". |
2. |
Liegen die Voraussetzungen für eine Anknüpfung nach Art. 26 Abs. 1 lit. a EuGüVO nicht vor, so ist gem. Art. 26 Abs. 1 lit. b EuGüVO das Recht des Staates anzuwenden, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung besaßen. |
3. |
Haben die Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung auch keine gemeinsame Staatsangehörigkeit oder haben sie mehrere gemeinsame Staatsangehörigkeiten (Art. 26 Abs. 3 EuGüVO), so gilt gem. Art. 26 Abs. 1 lit. c EuGüVO das Recht des Staates, mit dem die Ehegatten unter Berücksichtigung aller Umstände zum Zeitpunkt der Eheschließung gemeinsam am engsten verbunden sind. Hierbei ist eine umfassende Prüfung sämtlicher Umstände des Einzelfalls anzustellen. Denkbar wäre z.B. die Anwendung des Rechts des Staates, in dem die Eheleute bei Heirat gemeinsam lebten, ohne dort einen "gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt" zu haben, oder die Anwendung des Rechts des Staates, in dem sie nach der Eheschließung – aber nach Ablauf der "kurzen Frist" i.S.v. Art. 26 Abs. 1 lit. a EuGüVO – ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt begründen wollten. |
Rz. 67
Aufgrund der Anknüpfung an die Umstände bei bzw. kurz nach der Eheschließung ist die Anknüpfung des Güterstatuts auch nach der EuGüVO unwandelbar. Eine spätere Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts bzw. ein Wechsel der Staatsangehörigkeit durch die Eheleute wirkt sich auf das Güterstatut nicht mehr aus. Art. 26 Abs. 3 EuGüVO sieht aber ausnahmsweise eine Verschiebung des Anknüpfungszeitpunkts zu. So kann das Gericht, das für Fragen des ehelichen Güterstands zuständig ist, auf Antrag eines der Ehegatten entscheiden, dass statt des Rechts am ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Eheleute das Recht eines anderen Staates für den ehelichen Güterstand gilt, sofern die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem anderen Staat über einen erheblich längeren Zeitraum hatten und beide Ehegatten auf das Recht dieses anderen Staates bei der Regelung oder Planung ihrer vermögensrechtlichen Beziehungen vertraut hatten. In diesem Fall gilt das Recht des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Eheleute, und zwar gem. Art. 26 Abs. 3 UAbs. 2 EuGüVO rückwirkend auf den Zeitpunkt der Eheschließung. Es tritt also kein Statutenwechsel ein, sondern das Güterstatut wird dann quasi ex post vom Ende der Ehe aus bestimmt. Diese Ausnahmeregelung findet keine Anwendung, wenn sich das Güterstatut mangels eines ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts nach der gemeinsamen Staatsangehörigkeit oder der engsten Verbindung der Eheleute bei Heirat bestimmt, oder wenn die Eheleute vor der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in den anderen Staat einen Ehevertrag abgeschlossen haben. In diesen Fällen kommt eine Änderung des Güterstatuts nur durch Rechtswahl in Betracht.
Rz. 68
Eine weitere wichtige Änderung ergibt sich daraus, dass nach Art. 32 EuGüVO ausländisches IPR nicht mehr beachtet werden darf. Die Rückverweisung des ausländischen IPR auf das deutsche Recht oder aber die Weiterverweisung auf das Recht eines dritten Staates, wie sie für die vor dem 29.1.2019 geschlossenen Ehen gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB von Bedeutung bleiben, dürfen also für die künftig geschlossenen Ehen nicht mehr beachtet werden. Es ist dann unmittelbar das ausländische materielle Ehegüterrecht (Sachrecht) anzuwenden.