1. Allgemeines
Rz. 62
Haben die Eheleute am 29.1.2019 oder danach geheiratet oder aber davor geheiratet, aber nach dem genannten Zeitpunkt ehevertraglich das auf die güterrechtlichen Wirkungen anwendbare Recht gewählt, so bestimmt sich das auf die güterrechtlichen Wirkungen dieser Ehe anwendbare Recht nach den Regeln der EuGüVO (Art. 69 Abs. 3 EuGüVO).
2. Bestimmung des Güterstatuts durch Rechtswahl
Rz. 63
Art. 22 EuGüVO regelt vorrangig den Fall, dass die Eheleute das Güterstatut einvernehmlich bestimmen (Rechtswahl). Hierdurch wird deutlich gemacht, dass die güterrechtliche Rechtswahl stets vorrangig vor der objektiven Anknüpfung des Güterstatuts zu beachten ist. Die Eheleute können dabei gem. Art. 22 Abs. 1 EuGüVO zwischen folgenden Rechtsordnungen wählen:
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Dem Recht des Staates, in dem zumindest einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Ausübung der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; |
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dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit zumindest einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Ausübung der Rechtswahl besitzt. |
Die Wahl des Belegenheitsrechts für einzelne Grundstücke (vgl. Art. 15 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB a.F.) kommt dagegen nicht mehr in Betracht. Die Rechtswahl kann aber möglicherweise fortwirken, wenn diese vor dem 29.1.2019 vereinbart worden ist und sich dann, wenn deutsches Recht Erbstatut ist, auf die Berechnung der gesetzlichen Erbquoten auswirken.
Rz. 64
Wird die Rechtswahl nach der Eheschließung getroffen, so können die Eheleute auch wählen, ob diese mit Wirkung ex nunc (Art. 22 Abs. 2 EuGüVO) ausgestattet sein soll oder aber auf den Zeitpunkt der Eheschließung oder einen anderen Zeitpunkt nach der Eheschließung zurückwirken soll (Wirkung ex tunc, Art. 22 Abs. 3 EuGüVO).
Rz. 65
Wegen der sich aus der objektiven Anknüpfung an den "ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt" der Eheleute (Art. 26 Abs. 1 EuGüVO; dazu Rdn 66) ergebenden Unsicherheiten kommt der Rechtswahl eine große kautelarjuristische Bedeutung zu. Allerdings hat die EuGüVO die formalen Hürden für die wirksame Vornahme einer Rechtswahl sehr hoch angesetzt. Leben beide Eheleute außerhalb Deutschlands, so ergibt sich aus Art. 23 EuGüVO eine komplexe Anknüpfungsstaffel:
1. |
Eine "europäische Mindestform", bestehend aus der Schriftform, der Datierung und der Unterzeichnung durch beide Ehegatten, Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 EuGüVO. Unklar ist hierbei noch, ob die Unterzeichnung höchstpersönlich erfolgen kann oder ob weiterhin der Vertragsabschluss durch Bevollmächtigte möglich ist. |
2. |
Zusätzlich dazu (kumulativ) ist das Recht des Mitgliedstaates zu beachten, in dem die Eheleute ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
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Leben beide in demselben Mitgliedstaat, so ist das Recht dieses Staates einzuhalten (Art. 22 Abs. 2 EuGüVO). |
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Leben diese in verschiedenen Mitgliedstaaten, so genügt die Einhaltung der Formerfordernisse eines dieser Mitgliedstaaten (Art. 22 Abs. 3 EuGüVO). |
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Hat einer (Art. 22 Abs. 4 EuGüVO) oder haben beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat, der nicht Mitgliedstaat ist, so kommt dieses Recht nicht zur Anwendung. Es bleibt dann also bei der europäischen Mindestform nach Art. 22 Abs. 1 EuGüVO. |
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Dabei ist zu beachten, dass ausschließlich die Mitgliedstaaten der EU, in denen die EuGüVO gilt, "Mitgliedstaaten" in diesem Sinne sind. Lebt also ein Ehegatte in Deutschland, der andere in Ungarn, so ist die Beurkundung nach § 1410 BGB einzuhalten. Die ungarische Form genügt nicht, da Ungarn an der verstärkten Zusammenarbeit nicht teilnimmt, also kein "Mitgliedstaat" ist. Leben beide Ehegatten in der Slowakei (ebenfalls kein Mitgliedstaat), so bleibt es bei der "Mindestform" nach Art. 23 Abs. 1 EuGüVO. |
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3. Bestimmung des Güterstatuts bei Fehlen einer Rechtswahl
Rz. 66
Haben die Eheleute keine Rechtswahl getroffen, so ergibt sich – wie in Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 EGBGB – aus Art. 26 Abs. 1 EuGüVO eine Anknüpfungsleiter:
1. |
Vorrangig ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Ehegatten nach der Eheschließung ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben, Art. 26 Abs. 1 lit. a EuGüVO. Leben diese schon bei Eheschließung gemeinsam dauerhaft in demselben Staat, so gilt das Recht dieses Staates, auch wenn die Eheleute die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates haben. Das Aufenthaltsrecht gilt auch dann, wenn der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt erst nach der Eheschließung begründet worden ist. Ungeklärt ist hier allerdings noch, wie lange der Zeitraum zwischen Eheschließung und Aufenthaltsbegründung sein darf. In der Literatur wird eine "kurze Frist" verlangt – also überwiegend wohl bis zu einem Jahr. Die Aufenthaltsbegründung wirkt dann auf den Zeitpunkt der Eheschließung zurück. Für die Zwischenzeit tritt quasi ein "Schwebezustand" ein. Unklar ist hier der Fall, wenn beide Eheleute bei Heirat in demselben Staat, aber an verschiedenen Orten leben. Sie haben dann keinen "gemeinsamen" gewöhnlichen Aufenthalt. Die Literatur spricht dem Tatbestandsmerkmal der "Gemeinsamkeit" die Bedeutung ab und bejaht in diesem Fall eine Geltung des Rechts des Staates, "in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben". |
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