Rz. 36

Die Abstammung unterliegt dem gem. Art. 19 Abs. 1 EGBGB anwendbaren Recht. Dies gilt wohl auch unter der Geltung der EuErbVO selbst dann, wenn ausländisches Recht Erbstatut ist (selbstständige Vorfragenanknüpfung).[36]

 

Rz. 37

Um die Feststellung der Abstammung zu begünstigen, sieht Art. 19 Abs. 1 EGBGB nebeneinander mehrere Anknüpfungspunkte vor (alternative Anknüpfung).[37]

 

Rz. 38

 

Hinweis:

Für vor dem 1.7.1998 geborene Kinder ist nicht Art. 19 EGBGB in der aktuellen Fassung anwendbar, sondern es gelten die Art. 19, 20 EGBGB in der bis dahin geltenden Fassung (Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB).[38]

 

Rz. 39

Schwierigkeiten ergeben sich, wenn das ausländische Erbstatut – wie z.B. das japanische Erbrecht – noch eine unterschiedliche Behandlung ehelicher und nichtehelicher Abkömmlinge vorsieht. Da das deutsche Kollisionsrecht für seit dem 1.7.1998 geborene Kinder nicht mehr eine Kollisionsnorm für die Feststellung der ehelichen Abstammung enthält, besteht für diese Fälle eine kollisionsrechtliche Regelungslücke. Das Vorgehen in diesen Fällen ist umstritten:

Nach einer Ansicht soll die eheliche bzw. uneheliche Abstammung sowie die Legitimation unmittelbar dem Sachrecht der auf die Erbfolge anwendbaren Rechtsordnung entnommen werden, also dem Kindschaftsrecht des Staates, dessen Recht die Erbfolge unterliegt; lediglich in diesem Zusammenhang auftauchende weitere Vorfragen, wie z.B. die wirksame Eheschließung der Mutter, seien nach deutschem IPR anzuknüpfen.[39]
Die mittlerweile wohl überwiegende abweichende Ansicht befürwortet in dieser Frage dagegen ausnahmsweise eine sog. unselbstständige Vorfragenanknüpfung. Das heißt, dass das auf die Ehelichkeit anwendbare Recht nach dem IPR des Staates bestimmt werden soll, dessen Recht Erbstatut ist.[40] Weitere Vorfragen, wie z.B. das Bestehen einer Ehe der Mutter, sind freilich auch hier wieder nach deutschem IPR anzuknüpfen. Kommt man auf diese Weise zum deutschen Kindschaftsrecht, welches nur eine einheitliche Kindschaft kennt, ist das Kind m.E. stets als ehelich zu behandeln. Unabhängig davon wäre eine Ungleichbehandlung ohnehin gem. Art. 35 EuErbVO regelmäßig als ordre public-widrig zu korrigieren.
[36] ; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rn 600; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 9 II 1, S. 376. Zur unselbstständigen Anknüpfung von Vorfragen nach dem IPR der auf die Erbfolge anwendbaren Rechtsordnung z.B. Dörner, ZEV 2012, 512; MüKo-BGB/Dutta, 7. Aufl. 2017, Einl. EuErbVO Rn 560 ff.; Palandt/Thorn, 78. Aufl. 2019, Art. 1 EuErbVO Rn. 5.
[37] Die alternative Anknüpfung zur Begünstigung der Wirksamkeit eines Rechtsverhältnisses findet sich in Art. 26 Abs. 1 EGBGB wieder (siehe § 4 Rdn 12 ff.). Zu Einzelfragen siehe Süß, in: Süß/Ring, Eherecht in Europa, 3. Aufl. 2016, Allgemeiner Teil § 2 Rn 411.
[38] Bamberger/Roth/Otte, 3. Aufl. 2012, Art. 19 EGBGB Rn 2.
[39] Quasi eine erbrechtliche Qualifikation. So: Dörner, in: FS Henrich, 2000, S. 119, 126; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rn 171; Sturm, StAZ 1998, 313.
[40] Palandt/Thorn, 78. Aufl. 2019, Art. 19 EGBGB Rn 8; Erman/Hohloch, Art. 19 EGBGB Rn 24; Henrich, FamRZ 1998, 1405; Staudinger/von Hein/Henrich, Art. 19 EGBGB Rn 99; Hepting, StAZ 1999, 97; Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl. 2006, § 32 IV 2 c, S. 225; MüKo-BGB/Helms, Art. 19 EGBGB Rn 54; MüKo-BGB/von Hein, Einl. IPR Rn 198.

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