Rz. 120
Der trust ist eine dem angloamerikanischen Rechtskreis eigentümliche Rechtsfigur, bei der der Errichter des trust (trustor) das Eigentum in das dem Treuhänder (trustee) zugewiesene formelle Eigentum (legal title) und das dem Begünstigten (beneficiary) zustehende Recht auf die Nutzungen der Sache aufspaltet.
Rz. 121
Art. 1 Abs. 2 lit. j EuErbVO bestimmt, dass die Errichtung, Funktionsweise und Auflösung eines Trusts vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausgenommen ist. Kein Mitgliedstaat ist daher verpflichtet, diese Fragen nach dem nach der EuErbVO bestimmten Erbstatut zu bestimmen – selbst wenn sie sich aus einem testamentarisch angeordneten Trust ergeben sollten. Wegen der Aufspaltung des Eigentums in die formelle und materielle Eigentümerstellung wird die Wirksamkeit der Begründung eines Trust-Verhältnisses in Deutschland sachenrechtlich qualifiziert, also dem für das jeweilige einzelne Recht maßgeblichen Einzelstatut (Sachenstatut, Forderungsstatut, Gesellschaftsstatut etc.) unterstellt. Allgemeine Ansicht ist, dass sich diese Aufspaltung des Eigentums mit dem deutschen Sachenrecht, insbesondere dem numerus clausus der Sachenrechte, nicht vereinbaren lasse. Eine auf deutschem Einzelstatut unterliegende Eigentumsrechte, Forderungen oder Gesellschaftsanteile bezogene Trust-Errichtung wird daher nicht anerkannt. Das steht in Übereinstimmung mit Art. 1 Abs. 2 lit. k EuErbVO, wonach die Art der dinglichen Rechte nicht Gegenstand der Verordnung ist und damit den deutschen Gerichten die Anwendung der deutschen lex rei sitae als Sachenstatut ermöglicht.
Rz. 122
Art. 31 EuErbVO bestimmt hier, dass das sich aus dem ausländischen Erbrecht ergebende Recht, "soweit erforderlich und möglich, an das in der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats am ehesten vergleichbare Recht anzupassen (ist), wobei die mit dem besagten dinglichen Recht verfolgten Ziele und Interessen und die mit ihm verbundenen Wirkungen zu berücksichtigen sind". Damit stellt sich die Frage, wie die Anordnung des trust unter weitgehender Wahrung der vom trustor mit der Errichtung verfolgten Zwecke in eine Treuhand, die Erbeinsetzung der Begünstigten und/oder die Ernennung eines Testamentsvollstreckers umgedeutet werden kann.
Rz. 123
Betroffen hiervon ist nicht allein die Errichtung eines zur Nachlassplanung konzipierten, unter Lebenden errichteten trust oder die letztwillige Anordnung eines testamentary trust, sondern auch die Position des in England und anderen Common-law-Rechtsordnungen im Rahmen der Nachlassabwicklung stets erforderlichen personal representative, also des testamentarisch eingesetzten executor und des gerichtlich bestellten administrator. Die Rechtsprechung der deutschen Gerichte und die überwiegende Ansicht in der Literatur behandelten unter der Geltung des Art. 25 EGBGB die beneficiaries als Erben und den trustee bzw. den executor als Testamentsvollstrecker.
Rz. 124
Fraglich ist m.E., ob diese Praxis in Deutschland unter der EuErbVO fortgesetzt werden kann. Die deutsche Lehre berief sich hier auf eine gegenständlich (auf den im Inland belegenen Nachlassteil) und funktionell (auf die Fragen der Nachlassabwicklung – administration) beschränkte Rückverweisung durch das Kollisionsrecht des common law auf die inländische lex fori. Unter der EuErbVO freilich wird sich diese "versteckte Rückverweisung", die bislang ausschließlich in Deutschland angenommen wurde, kaum fortführen lassen. Das gilt umso mehr, als mit Zypern auch ein Common-law-Staat unter den Mitgliedstaaten i.S.d. EuErbVO ist, so dass die Eigentümerposition des personal representative in derartigen Fällen ohnehin über das Europäische Nachlasszeugnis im Inland anzuerkennen ist. Künftig ist daher m.E. der Übergang des Vermögens samt aller Aktiva und Passiva auf den executor anzuerkennen und ihm daher ein Europäisches Nachlasszeugnis auszustellen, das ihn als "Erben" ausweist.