Rz. 15
Zitat
BGB § 249
Benutzt der Geschädigte im Totalschadensfall (hier: Reparaturkosten höher als 130 % des Wiederbeschaffungswerts) sein unfallbeschädigtes, aber fahrtaugliches und verkehrssicheres Fahrzeug weiter, ist bei der Abrechnung nach den fiktiven Wiederbeschaffungskosten in der Regel der in einem Sachverständigengutachten für den regionalen Markt ermittelte Restwert in Abzug zu bringen (Fortführung von Senat, BGHZ 143, 189 ff.).
a) Der Fall
Rz. 16
Der Kläger verlangte von den Beklagten restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 26.3.2005, bei dem sein Fahrzeug einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hatte. Die Parteien stritten nur noch um die Höhe des Restwerts des Fahrzeugs des Klägers.
Rz. 17
Nach dem vom Kläger eingeholten Sachverständigengutachten hatte das Fahrzeug einen Wiederbeschaffungswert von 1.800 EUR brutto und einen Restwert von 500 EUR brutto. Den Reparaturaufwand kalkulierte der Sachverständige in Höhe von ca. 2.500 EUR brutto. Der Kläger benutzte sein fahrtüchtiges und verkehrssicheres Fahrzeug unrepariert weiter. Der beklagte Versicherer legte dem Kläger zwei Restwertangebote vor. Eines der Angebote belief sich auf 550 EUR brutto, das andere auf 1.300 EUR brutto. Das zuletzt genannte Angebot stammte von einer Firma aus Norddeutschland, die anbot, das Fahrzeug beim Kläger gegen Barzahlung und kostenfrei abzuholen. Der beklagte Versicherer legte der Schadensabrechnung das Restwertangebot von 1.300 EUR zugrunde und erstattete an den Kläger 500 EUR. Der Kläger errechnete einen Mittelwert von 400 EUR aus den dem Sachverständigengutachten zugrunde liegenden Restwertangeboten von 300 EUR und 500 EUR und verlangte mit seiner Klage weitere 900 EUR.
Rz. 18
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 19
Die Revision hatte Erfolg. Der Kläger musste sich bei der Schadensabrechnung auf Gutachtensbasis nicht den Restwert von 1.300 EUR anrechnen lassen, obwohl der Sachverständige das verunfallte Fahrzeug nur mit 500 EUR bewertet hatte.
Rz. 20
Der Geschädigte kann im Totalschadensfall, wenn – wie hier – die Reparaturkosten des Fahrzeugs den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 % übersteigen, nur Ersatz der für die Beschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs erforderlichen Kosten, also den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts, verlangen. Bei Reparaturkosten, die den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 % überschreiten, besteht wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots kein schützenswertes Interesse an der Wiederherstellung des Fahrzeugs. Auch die Ersatzbeschaffung ist Naturalrestitution, deren Ziel sich nicht auf eine (Wieder-)Herstellung der beschädigten Sache beschränkt; es besteht in umfassenderer Weise gemäß § 249 Abs. 1 BGB darin, den Zustand herzustellen, der, wirtschaftlich gesehen, der ohne das Schadensereignis bestehenden Lage entspricht. Die Ersatzbeschaffung als Variante der Naturalrestitution steht ebenfalls unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Das bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensbehebung gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage grundsätzlich den wirtschaftlichsten Weg zu wählen hat – sogenannte "subjektbezogene Schadensbetrachtung". Will der Geschädigte in einem solchen Fall sein Fahrzeug weiter nutzen, muss er sich den Restwert seines Fahrzeugs anrechnen lassen, auch wenn er diesen nicht realisiert, da ihm ein Integritätsinteresse hinsichtlich des beschädigten Fahrzeugs nicht zugebilligt werden kann. Nach sachgerechten Kriterien ist festzustellen, in welcher Höhe dem Geschädigten angesichts des ihm verbliebenen Restwertes seines Fahrzeugs durch den Unfall überhaupt ein Vermögensnachteil erwachsen ist. Dadurch wird verhindert, dass sich der Geschädigte an dem Schadensfall bereichert.
Rz. 21
Im Veräußerungsfall leistet der Geschädigte im Allgemeinen dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Er ist grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Auch kann er vom Schädiger nicht auf einen höheren Restwerterlös verwiesen werden, der auf einem Sondermarkt durch spezialisierte Restwertaufkäufer erzielt werden könnte.
Rz. 22
Damit war die Auffassung des Berufungsgerichts nicht vereinbar, dass der Kläger sich bei der Schadensabrechnung auf der Grundlage einer Schadensschätzung einen über das Internet ermittelten Restwert in Höhe von 1.300 EUR anrechnen lassen müsse, obwohl der Sachverständige den Restwert des Unfallfahrzeugs lediglich mit 500 EUR bewer...