Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 1
Nachdem sich der Deutsche Anwaltverein im Jahr 2018 im Besonderen des Themas "Fehlerkultur" angenommen hat und dazu postuliert wird: "Eine neue Fehlerkultur in der Anwaltschaft tut Not […] Eine Auseinandersetzung mit Fehlern findet so gut wie nie statt. Fehler sind tabuisiert." soll die vorangegangene Darstellung zur Vermeidung von Fehlern durch einen kurzen Wegweiser abgerundet werden, was (vorbeugend) zu tun ist, wenn das Ziel absoluter Fehlerfreiheit einmal doch nicht erreicht worden ist.
Rz. 2
Risiko- und Krisenmanagement sollten nicht erst dann einsetzen, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.
I. Kanzleiorganisation und Rechtsformwahl
Rz. 3
Wie sich Fehler durch eine gute Büroorganisation vermeiden lassen und was im Arbeitsalltag von Anwälten besonders gefahrenträchtig ist, wurde – freilich ohne Anspruch auf Vollständigkeit – bereits im vorstehenden Kapitel (s. § 2 Rdn 251 ff.) dargestellt. Auf die dortigen Ausführungen soll verwiesen werden, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden.
Rz. 4
Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zu Berufsausübungsfehlern kommt. Das – so der BGH in ständiger Rechtsprechung zur Anwaltshaftung bei der Beurteilung mitwirkender Fehler von Gericht – "auch bei Richtern nur unvollkommene menschliche Erkenntnisvermögen und die niemals auszuschließende Möglichkeit eines Irrtums“ ist auch bei den Anwälten zu konstatieren."
Rz. 5
Und auch für diesen Fall ist Vorsorge zu betreiben, auch wenn der Gesetzgeber in gewisser Weise schon Bevormundung betrieben hat, indem grds. jeder Anwalt zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet ist. Neben den Fragen des Versicherungsmanagements und der Organisation des Arbeitsablaufs in der Kanzlei sollten auch die Strukturen genau bedacht werden, in denen gearbeitet wird.
Rz. 6
Die Betätigungs- und Kooperationsformen von Anwälten sind vielgestaltig. Sie reichen vom Einzelkämpfer auf dem Land bis zu konzernähnlichen internationalen Zusammenschlüssen in fast jeder nur erdenklichen inländischen, aber auch ausländischen Rechtsform. Es sollte genau bedacht werden, welcher Zuschnitt für die eigene Berufsausübung am geeignetsten erscheint.
Rz. 7
Keinesfalls sollte in der Art und Weise agiert werden, dass man kreative Außendarstellung betreibt, um sich im Rechtsverkehr den Schein besonderer Größe zu geben. Zwar mag hier vieles mittlerweile berufsrechtlich zulässig sein. Allerdings gerät man rasch in das Fahrwasser der Scheinsozienhaftung. Die Risiken wurden bereits oben, § 2 Rdn 148 ff., dargestellt.
Rz. 8
Praxistipp
Ein gutes Risikomanagement setzt also schon bei der Strukturierung der Kanzlei ein und erfordert auch den sorgfältigen Umgang bei der Beurteilung der Frage, ob und ggf. inwieweit Fehler aus der anwaltlichen Berufsausübung versichert werden müssen. Selbst die vielfach als Allheilmittel bezeichnete Partnerschaften mit beschränkter Berufshaftung bietet keinen lückenlosen Schutz, weshalb sich Anwälte möglichst an spezialisierte Berater und Vermittler wenden sollten, wenn sie nicht über ein sozietätsinternes Kanzlei- und Risikomanagement mit entsprechendem Know-how verfügen.
II. Haftungsbeschränkungsvereinbarungen
Rz. 9
Ein weiterer Gesichtspunkt des Krisenmanagements vor dem Schadenfall, der zu bedenken ist, sollte der Abschluss einer Haftungsbeschränkungsvereinbarung sein. Denn nicht immer lässt sich eine Haftungsbeschränkung durch Rechtsformwahl so schnell realisieren, dass ein bestimmtes Mandat angenommen und abgearbeitet werden kann.
Rz. 10
Und auch Partnerschaft oder GmbH, um nur einige vom Gesetzgeber ausdrücklich zugelassene Kooperationsmodelle für Rechtsanwälte zu nennen, bieten nicht immer lückenlosen Schutz vor einer persönlichen Haftung der in diesen Organisationen tätigen Rechtsanwälte.
Rz. 11
Das Bedürfnis der Haftungsbeschränkungsvereinbarung ist für die Angehörigen der steuer-, wirtschafts- und rechtsberatenden Berufe aufgrund der bisweilen existenzbedrohenden Haftungsrisiken, welche der Ausübung dieser Professionen anhaften, anerkannt und für Anwälte auch in § 52 BRAO geregelt. § 52 BRAO sieht drei Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung vor, und zwar
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für fahrlässiges Fehlverhalten bis zur Höhe der Mindestversicherungssumme durch schriftliche Einzelfallvereinbarung (§ 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BRAO); |
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für einfach fahrlässiges Fehlverhalten bis zum vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme durch vorformulierte Vertragsbedingungen (§ 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BRAO); |
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für die persönliche Mithaftung in Sozietäten auf einzelne Mitglieder einer Sozietät, die das Mandat im Rahmen ihrer eigenen beruflichen Befugnisse bearbeiten und namentlich bezeichnet sind (§ 52 Abs. 2 BRAO). |
Zu beachten ist aber, dass insbesondere die letzten beiden Alternativen nur eine Scheinsicherheit für Anwälte bieten und eine Vereinbarung nach § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BRAO besonders sorgfältiges Arbeiten des Anwalts erfordert, damit seine Haftung auch wirklich begr...