Dr. iur. Alexander Weinbeer
I. Offenheit und Transparenz
Rz. 27
"Ich liebe dich mein Schatz" ist vielleicht eine Option, um eigenes Fehlverhalten im zwischenmenschlichen Bereich spielerisch ungeschehen zu machen. Der auf finanziellen Ausgleich bedachte Mandant wird sich mit derartigen Süßholzraspeln nicht zufrieden geben, auch wenn für private wie berufliche Ebene gleichermaßen gilt: Ehrlichkeit und Offenheit sind oberstes Gebot – auch und gerade, wenn es zu einem Berufsausübungsfehler gekommen ist, besser noch: kommen kann.
Rz. 28
Praxistipp
Man sollte daher in Situationen, in denen ein beruflicher Fehler in Betracht kommt, dem Mandanten offen die Problemlage mitteilen, diesem mögliche Konsequenzen für seine Interessen und etwaige Rettungsmöglichkeiten, mit denen sich das Problem eventuell noch lösen lässt, aufzeigen. Denn nicht selten sind Mandanten, denen ehrlich und aufrichtig sowie sachlich und emotionsfrei ein Fehler geschildert wird, bereit, an einer konstruktiven Konfliktlösung mitzuarbeiten, die unangenehme Weiterungen gering hält.
Rz. 29
Diese offene Kommunikationspolitik sollte für Anwälte auch deshalb selbstverständlich sein, weil sie ihrer Berufshaftpflichtversicherung gegenüber im Schaden – bzw. Versicherungsfall – und als solcher Versicherungsfall wird in der Anwaltshaftpflichtversicherung die anwaltliche Fehlleistung, der sog. Verstoß eingestuft – ähnliche Obliegenheiten haben.
Rz. 30
So sind die Versicherer ebenfalls unverzüglich von einem Schadenfall zu unterrichten, wobei eine Vielzahl von Versicherungsbedingungen hierfür eine Frist von nur einer Woche vorsehen, innerhalb derer ein Versicherungsfall in Textform anzuzeigen ist. Zur Bestimmung des Beginns dieser Frist, der mit der Kenntnis des Versicherungsnehmers einsetzt, kann auf einschlägige Versicherungsbedingungen verwiesen werden:
Rz. 31
Nach § 2 Abs. 2 AVB gilt ein Verstoß als bekannt, wenn ein Vorkommnis vom Versicherungsnehmer oder versicherten Personen als – wenn auch nur möglicherweise – als objektiv fehlerhaft erkannt oder ihnen, wenn auch nur bedingt, als fehlerhaft bezeichnet worden ist, auch wenn Schadenersatzansprüche weder erhoben noch angedroht noch befürchtet worden sind. Ein Schaden muss also weder eingetreten noch geltend gemacht worden sein, um die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers auszulösen.
Rz. 32
Macht der Geschädigte seinen Anspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer geltend, ist dieser zur Anzeige innerhalb einer Woche nach der Erhebung des Anspruchs verpflichtet. Wird gegen den Versicherungsnehmer ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht, Prozesskostenhilfe beantragt oder wird ihm gerichtlich der Streit verkündet, hat er außerdem unverzüglich Anzeige zu erstatten, ebenso im Falle eines Arrestes, einer einstweiligen Verfügung oder eines Beweissicherungsverfahrens.
Rz. 33
Das gleiche gilt, wenn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet oder ein Strafbefehl oder ein Mahnbescheid erlassen wird. Auch hier hat der Versicherungsnehmer dem Versicherer zusätzlich eine unverzügliche Mitteilung zu machen, selbst wenn er den Versicherungsfall bereits angezeigt hat.
II. Einbeziehung des Versicherers
Rz. 34
Über die vorstehend geschilderten Obliegenheiten zur Anzeige potentieller Schadenfälle hinausgehend ist von Anwälten allerdings zu berücksichtigen, dass sie nicht einfach die Ansprüche ihrer Klientel unstreitig stellen und anerkennen. Denn wirtschaftlicher (Haupt-)Betroffener ist nach einem Schadenfall meist die Berufshaftpflichtversicherung, weshalb dieser ein Weisungsrecht und eine Entscheidungsprärogative zugebilligt wird, deren Nichtbeachtung schädliche Folgen für den Anwalt haben können.
Rz. 35
So besteht eine Pflicht zur Mitwirkung des Versicherungsnehmers bei der Schadenabwehr. Der Versicherungsnehmer ist, soweit für ihn zumutbar, nach den Standardbedingungen der Versicherungswirtschaft verpflichtet, unter Beachtung der Weisungen des Versicherers, insbesondere auch hinsichtlich der Auswahl des Prozessbevollmächtigten, für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen und alles zu tun, was zur Klarstellung des Schadenfalles dient.
Rz. 36
Der Anwalt hat den Versicherer bei der Abwehr des Schadens sowie bei der Schadenermittlung und -regulierung zu unterstützen, ihm ausführliche und wahrheitsgemäße Schadenberichte zu erstatten, alle Tatumstände, welche auf den Schadenfall Bezug haben, mitzuteilen und alle nach Ansicht des Versicherers für die Beurteilung des Schadenfalls erheblichen Schriftstücke einzusenden. Den aus Anlass eines Schadenfalles erforderlichen Schriftwechsel hat der Versicherungsnehmer unentgeltlich zu führen.
Rz. 37
Gegen Mahnbescheide oder Verfügungen von Verwaltungsbehörden auf Schadenersatz hat der Versicherungsnehmer deshalb, unter Umständen ohne die Weisung des Versicherers abzuwarten, fristgemäß Widerspruch zu erheben und die erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen. Die Kosten eines vom Versicherungsnehmer außer...