Rz. 55
Der Schadensersatzanspruch im Körperschadenrecht setzt eine Rechtsgutverletzung (und nicht nur deren Vermutung) zur Anspruchsbegründung voraus. Die Verletzung kann auch durch Vermittlung anderer Personen zurechenbar erfolgen.
aa) Rechtsgutverletzung
Rz. 56
Gesundheitsverletzung ist das Hervorrufen eines von den normalen körperlichen Funktionen nachteilig abweichenden Zustandes unabhängig davon, ob Schmerzzustände auftreten, ob eine tiefgreifende Veränderung der Befindlichkeit eingetreten ist oder ob es zum Ausbruch der Krankheit gekommen ist.[75]
Rz. 57
Körperverletzung ist jeder unbefugte Eingriff in die Integrität der körperlichen Befindlichkeit;[76] und zwar auch dann, wenn der Verletzte noch nicht geboren war. Während aus medizinischer Sicht der Tatbestand der Körperverletzung eine Strukturveränderung voraussetzt, reicht aus juristischer Sicht die Beeinträchtigung der körperlichen Befindlichkeit aus. Die körperliche Befindlichkeit ist das geschützte Rechtsgut, nicht die Materie;[77] ob deren Beeinträchtigung durch eine Strukturveränderung ausgelöst worden ist, ist letztlich nicht entscheidend.
Rz. 58
Der unmittelbare Schaden des Dritten kann auch durch die Verletzung einer anderen Person vermittelt werden (z.B. Infektion).[78] Neben dem behandelten Patienten (z.B. Unfallopfer) ist auch dessen (u.U. zum Behandlungszeitpunkt noch nicht bekannter) Ehepartner oder ein ständiger Lebensgefährte in den Schutzbereich der Pflicht zur nachträglichen Sicherungsaufklärung über die Gefahr einer Infektion (z.B. transfusionsassoziierte HIV-Infektion) einbezogen.[79] Für den Anspruch aus § 823 I BGB ist es unerheblich, dass der unmittelbare Schaden des Dritten durch die Verletzung einer anderen Person vermittelt worden ist. Der Grundsatz, dass für mittelbare Schäden außerhalb der §§ 844, 845 BGB deliktisch nicht gehaftet wird, gilt nur für Vermögensschäden, die aus der Verletzung eines Rechtsguts des Primärgeschädigten bei Dritten hervorgehen. Er beansprucht dagegen keine Geltung, wenn der Geschädigte einen Schaden erleidet, der in der Verletzung eines eigenen Rechtsguts des § 823 I BGB besteht und für den der Schädiger im Rahmen des Zurechnungszusammenhanges zu haften hat.[80]
Rz. 59
Ist die Verletzung behandlungsbedürftig und resultiert sodann aus der Behandlungsbedürftigkeit eine Arbeitsunfähigkeit, entsteht materieller Personenschaden erst dann, wenn die verletzte Person die erforderlichen Heilmaßnahmen durchführt und die damit dann einhergehende Beeinträchtigung des Verletzten – die nicht zwingend ist – zu Mindereinnahmen oder Mehraufwendungen führt.
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