Florian Kienle, Pius Dolzer
Rz. 169
Das System des festen Stammkapitals bedingt nicht nur eine Absicherung durch Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsregeln, sondern erfordert darüber hinaus, dass die Gesellschaft bei Verlust des Haftungsfonds entweder liquidiert oder ihr neues Kapital zugeführt wird. Die Regelungen des Eigenkapitalersatzrechts bzw. des Rechts der Gesellschafterdarlehen dienen der Durchsetzung der Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter, wenn diese der Gesellschaft anstelle von Eigenkapital Fremdkapital zuführen. Freilich tritt der Gedanke der Finanzierungsverantwortung nach Umgestaltung der Vorschriften im Zuge des MoMiG weniger deutlich zu Tage, gesprochen wird nunmehr eher von der Steuerungsfunktion des Eigenkapitalrisikos.
1. Überblick
Rz. 170
Mangels einer gesetzlichen Grundlage hat die Rechtsprechung zunächst ein System des Eigenkapitalersatzrechts in Analogie zu den §§ 30, 31 GmbHG entwickelt (sog. Rechtsprechungsregeln). Durch die GmbH-Novelle im Jahre 1980 suchte der Gesetzgeber das Eigenkapitalersatzrecht mit den Regelungen der §§ 32a, 32b GmbHG, §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO auf eine sichere dogmatische Grundlage zu stellen (sog. Novellenregeln). Da sich die Novellenregeln zur Lösung der Problematik des Eigenkapitalersatzes als nur bedingt zureichend erwiesen haben, wurde daneben weiterhin auf die Rechtsprechungsregeln abgestellt. Es bestand mithin ein zweistufiges System des Eigenkapitalersatzrechts. Dieses Eigenkapitalersatzrecht wurde durch das MoMiG weitgehend vereinfacht und von seinen international kaum wettbewerbsfähigen Spezifika – insbesondere von dem Tatbestandsmerkmal der Krise – entkernt. Die §§ 32a, 32b GmbHG wurden ersatzlos gestrichen und auch gegen die Weitergeltung der Rechtsprechungsregeln hat sich der Gesetzgeber des MoMiG in § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG n.F. ausdrücklich verwahrt. Der Regelungsbereich beschränkt sich nunmehr auf seine insolvenzrechtlichen Bestandteile.
Rz. 171
Nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sind Forderungen aus Gesellschafterdarlehen nachrangige Verbindlichkeiten, es wird mithin ein gesetzlicher Rangrücktritt (Subordination) angeordnet. Eine Rechtshandlung, durch die für eine Forderung aus Gesellschafterdarlehen Sicherung oder Befriedigung gewährt wird, ist nach § 135 InsO anfechtbar. Diese ausschließlich in der InsO verorteten Vorschriften enthalten das frühere – nach überwiegender Auffassung als gesellschaftsrechtliche Vorfrage zu qualifizierende – Erfordernis eines eigenkapitalersetzenden Charakters des Darlehens nicht mehr und beanspruchen für alle Gesellschafterdarlehen unterschiedslos Geltung. Der Begriff des Eigenkapitalersatzrechts umschreibt daher die geltende Rechtslage nicht mehr präzise, zutreffender erscheint die Bezeichnung als Recht der Gesellschafterdarlehen. Ergänzend ist auf § 44a InsO hinzuweisen (gesellschafterbesicherte Drittkredite).
2. Anknüpfung
Rz. 172
Im Hinblick auf die kollisionsrechtliche Einordnung war vor der GmbH-Reform durch das MoMiG zwischen den Rechtsprechungs- und den Novellenregeln zu differenzieren (siehe Rdn 170). Während die Rechtsprechungsregeln aufgrund ihres dogmatischen Ursprungs in §§ 30, 31 GmbHG als abstrakt-präventive Regelungen eingestuft wurden, die sich einer insolvenzrechtlichen Qualifikation entzogen, wurden die Novellenregeln der §§ 32a, 32b GmbHG aufgrund ihrer sich erst im Rahmen eines Insolvenzverfahrens entfaltenden Wirkungen sowie ihrer Rechtsformunabhängigkeit und der tatbestandlichen Ausgestaltung (Vorliegen eines Insolvenzgrundes) insolvenzrechtlich qualifiziert, wie der BGH zuletzt im sog. PIN-Fall unter Rekurs auf Art. 4 Abs. 2 lit. g EuInsVO a.F. noch einmal ausdrücklich hervorgehoben hat. Freilich wurde aber wiederum überwiegend dafür plädiert, die Vorfrage des eigenkapitalersetzenden Charakters eines Darlehens abzuspalten und gesellschaftsrechtlich anzuknüpfen, was wiederum zu Schutzlücken führen konnte.
Rz. 173
Diese Nachteile vermeidet dagegen das reformierte Recht. Aufgrund des nunmehr durchweg bestehenden Insolvenzerfordernisses – auf die nach altem Recht erforderliche Krise...