Rz. 136

Gem. Art. 7 Abs. 2 lit. a EuInsVO ist das Insolvenzstatut, mithin das Recht des Eröffnungsstaates, auch für die Frage maßgeblich, bei welcher Art von Schuldnern ein Insolvenzverfahren überhaupt zulässig ist. Das deutsche Recht hält in § 11 InsO nur Vorschriften über inländische Rechtsträger vor. Danach kann ein Insolvenzverfahren u.a. über das Vermögen einer juristischen Person, über das Vermögen eines nicht rechtsfähigen Vereins und über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft, Gesellschaft bürgerlichen Rechts usw.) eröffnet werden, § 11 Abs. 1 und 2 InsO. Nach § 11 Abs. 3 InsO ist die Eröffnung auch nach der Auflösung einer juristischen Person zulässig, solange die Verteilung ihres Vermögens nicht vollzogen ist. Grundsätzlich ist die Insolvenzfähigkeit mit der Rechtsfähigkeit gleichzusetzen.[392]

 

Rz. 137

Im Falle einer ausländischen Kapitalgesellschaft ist zunächst zu untersuchen, ob sie im Wege der kollisionsrechtlichen Substitution[393] die Merkmale eines insolvenzfähigen Rechtsträgers i.S.v. § 11 InsO erfüllt.[394] Hierfür ist die kollisionsrechtlich selbstständig anzuknüpfende Vorfrage nach dem Rechtscharakter und der Rechtsfähigkeit der Auslandsgesellschaft zu beantworten. Hierfür ist auf das Gesellschaftsstatut, mithin regelmäßig das Recht des Gründungsstaates, abzustellen.[395] Handelt es sich dagegen um eine Gesellschaft aus dem nicht-europäischen Ausland, mit deren Gründungsstaat kein Anerkennungsabkommen besteht, oder beurteilt sich die Rechtsfähigkeit des Gemeinschuldners kraft Rückverweisung[396] oder infolge Rechtsmissbrauchs[397] nach deutschem Recht, so kann die Insolvenzfähigkeit infolge eines dann anzunehmenden Charakters als Personengesellschaft begründet sein.[398] Eine private limited company englischen Zuschnitts bleibt auch nach dem Brexit in Deutschland rechts- und damit insolvenzfähig, wenngleich ihre Anerkennung nunmehr den Grundsätzen zur Anerkennung von Gesellschaften aus Drittstaaten folgt und sie daher regelmäßig als OHG oder GbR zu qualifizieren sein wird.[399]

[392] Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO, § 11 Rn 2. Da Träger des Nachlasses der Erbe ist, handelt es sich hierbei streng genommen nicht um eine Frage der Insolvenzfähigkeit, in diese Richtung aber wohl AG Düsseldorf, Beschl. v. 19.6.2012 – 503 IN 6/12, NZI 2012, 839 (siehe oben Rdn 100); vgl. MüKo-BGB/Küpper, § 1975 Rn 4.
[393] Allgemein hierzu Kienle, Internationales Privatrecht, Rn 44 ff.
[394] Kienle, NotBZ 2008, 245, 251 f.
[395] Weller, IPRax 2003, 520, 521 f.; Müller, NZG 2003, 414, 416; vgl. aber AG Duisburg NZI 2003, 658, 659, das die Insolvenzfähigkeit einer aufgelösten Auslandsgesellschaft nach der lex fori concursus beurteilt; diese Frage ist jedoch noch dem Personalstatut zuzuschlagen, vgl. Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 9 Rn 17.
[396] Wenn der Gründungsstaat ebenfalls der Sitztheorie anhängt, wird auf deutsches Recht zurückverwiesen, sofern sich die tatsächliche Hauptverwaltung der Gesellschaft im deutschen Inland befindet.
[397] Vgl. AG Hamburg NJW 2003, 2835, 2836. Das AG Saarbrücken, ZInsO 2005, 727, 728, unterzieht nur die Frage der sog. formellen Insolvenzfähigkeit einer Prüfung im Eröffnungsverfahren, die Frage des Rechtsmissbrauchs sei im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu klären und führe dort u.U. zur Nichtanerkennung der Haftungsbeschränkung.
[398] Vgl. hierzu Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 9 Rn 17; Müller, NZG 2003, 414, 416.
[399] Riedemann, GmbHR 2004, 345, 347. Zur polnischen Sp. zo. o. vgl. Schmidt, ZInsO 2010, 900.

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