Florian Kienle, Pius Dolzer
Rz. 138
Gem. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 EuInsVO ist die lex fori concursus auch maßgeblich für die Voraussetzungen, unter welchen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, mithin die Eröffnungsgründe. Die Eröffnungsgründe sind im deutschen Recht in §§ 17–19 InsO geregelt. Gem. § 17 Abs. 1 InsO ist der allgemeine Eröffnungsgrund die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners; nach § 18 Abs. 1 InsO ist schon die drohende Zahlungsunfähigkeit hinreichender Eröffnungsgrund, sofern der Schuldner den Antrag auf Eröffnung des Verfahrens stellt. Einen speziellen Eröffnungsgrund für juristische Personen enthält § 19 Abs. 1 InsO mit der Überschuldung. Die Gläubiger sollen bei eingetretener Überschuldung, d.h. Vermögensunzulänglichkeit, nicht auch die erst regelmäßig zu einem späteren Zeitpunkt eintretende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abwarten müssen. Die zeitliche Vorverlagerung des Insolvenzgrundes korreliert mit der Haftungsprivilegierung der Gesellschafter.
Rz. 139
Überschuldung liegt nach § 19 Abs. 2 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners seine Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten 12 Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Gem. § 19 Abs. 3 InsO gilt der Eröffnungsgrund der Überschuldung auch bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, mithin namentlich bei der GmbH & Co. KG oder der Limited & Co. KG (vgl. Rdn 32). Im Hinblick auf Auslandsgesellschaften hängt die Anwendbarkeit des besonderen Eröffnungsgrundes der Überschuldung wiederum von deren Einordnung als juristische Person i.S.v. § 19 Abs. 1 InsO und damit von der Anerkennung ihrer Rechtspersönlichkeit nach dem Gründungsstatut ab.
Rz. 140
Fraglich ist, wie sich der Eröffnungsgrund im Rahmen eines Nebenverfahrens beurteilt. Im Hinblick auf das Sekundärverfahren bestimmt Art. 34 Satz 2 EuInsVO, dass dessen Eröffnung ohne erneute Prüfung der Insolvenz erfolgen kann. Präziser ist § 356 Abs. 3 InsO gefasst, wonach ein Sekundärverfahren eröffnet wird, ohne dass ein Eröffnungsgrund festgestellt werden muss. Mangels Vorliegens eines Hauptverfahrens, auf dessen Eröffnungsprüfung sich das Nebenverfahren stützen kann, gestaltet sich die Lage im Falle eines Partikularverfahrens schwieriger. Während einerseits für eine territorial bzw. auf die dem Verfahren unterliegende Niederlassung beschränkte Eröffnungs- bzw. Überschuldungsprüfung plädiert wird, verlangt die h.M. auch in diesem Falle eine universelle Überschuldungsprüfung.