Rz. 99
a) Der Fall
Rz. 100
Die am 5.5.1971 geborene Klägerin erlitt am 29.3.1979 bei einem Verkehrsunfall, den ihre Mutter verursacht hatte, schwere Kopfverletzungen. Sie war seitdem hirnorganisch völlig gestört und in erheblichem Umfang pflegebedürftig. Zur Zeit des Unfalls und auch danach lebten beide in häuslicher Gemeinschaft. Die Beklagte hatte als Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer für die unfallbedingten Schäden der Klägerin voll einzustehen. Die Parteien hatten sich auf einen monatlichen Pflegeaufwandsbetrag von 2.257,50 DM geeinigt. Die Beklagte hatte diesen Betrag bis Ende 1996 gezahlt. Seit dem 1.1.1997 hatte sie ihre Zahlungen an die Klägerin um das monatliche Pflegegeld in Höhe von 800 DM, das die Pflegekasse an die Klägerin zahlte, gekürzt.
Rz. 101
Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin für die Zeit vom 1.1.1997 bis zum 31.3.1998 den durch die Kürzungen entstandenen Differenzbetrag in Höhe von insgesamt 12.000 DM nebst Zinsen. Sie hat geltend gemacht, dass die Leistung der Pflegeversicherung an ihrer Aktivlegitimation nichts geändert habe; ihr komme das Angehörigenprivileg des § 116 Abs. 6 SGB X zugute, das einem Übergang ihrer Schadensersatzansprüche in Höhe der Pflegegeldzahlungen auf die Pflegekasse entgegenstehe. Die Beklagte hat dem Klagevorbringen entgegengehalten, dass sich die Klägerin auf den mit der Beklagten vereinbarten Betrag von 2.257,50 DM das monatliche Pflegegeld von 800 DM anrechnen lassen müsse. Andernfalls würde sie mehr als den Ausgleich ihres Schadens erhalten und gegenüber anderen Geschädigten, die durch familienfremde Personen geschädigt worden seien, ungerechtfertigt bevorzugt. Das LG hat der Klage stattgegeben. Das OLG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 102
Der Senat war mit dem Berufungsgericht der Auffassung, dass sich die Zahlung des monatlichen Pflegegeldes von 800 DM an die Klägerin auf deren gegen die Beklagte gerichteten Direktanspruch auf Zahlung des vereinbarten Pflegeaufwandsbetrages von monatlich 2.257,50 DM nicht ausgewirkt hat. Die Aktivlegitimation der Klägerin wurde von diesen Zahlungen nicht berührt. Sie hatten entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gemäß § 116 Abs. 1 SGB X zu einem Übergang des gegen die Beklagte gerichteten Direktanspruchs auf die Pflegekasse in Höhe ihrer Leistungen geführt.
Rz. 103
Allerdings bestand zwischen den Schadensersatzleistungen der Beklagten zum Ausgleich der unfallbedingten vermehrten Bedürfnisse der Klägerin gemäß § 843 Abs. 1 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG und den Pflegegeldzahlungen der Pflegekasse eine sachliche und zeitliche Kongruenz, wie sie § 116 Abs. 1 SGB X für einen Anspruchsübergang voraussetzt. Ein Übergang des Schadensersatzanspruchs der Klägerin in Höhe der Zahlungen des Pflegegeldes auf die Pflegekasse scheiterte jedoch an dem Angehörigenprivileg des § 116 Abs. 6 S. 1 SGB X. Danach ist bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch Familienangehörige, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft leben, ein Anspruchsübergang nach § 116 Abs. 1 SGB X ausgeschlossen. Die Anwendungsvoraussetzungen dieser Vorschrift lagen hier vor. Die daraus folgende Sperre des Anspruchsübergangs galt nicht nur für den gegen die Mutter der Klägerin gerichteten Schadensersatzanspruch, sondern auch für den hier in Rede stehenden Direktanspruch aus § 843 Abs. 1 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer. Das folgt aus der Rechtsnatur des gegen den Haftpflichtversicherer gerichteten Direktanspruchs des Geschädigten aus § 3 Nr. 1 PflVG. Er dient der Sicherung der Forderung des Geschädigten und ist deshalb in seinem Bestand und seinen Wirkungen grundsätzlich von dem Haftpflichtanspruch abhängig; er ist ein akzessorisches Recht (vgl. Senatsurt. v. 9.7.1996 – VI ZR 5/95, BGHZ 133, 192, 195 m.w.N.).
Rz. 104
Allerdings hat der Senat im vorgenannten Urteil für den Fall des Anspruchsübergangs auf einen Sozialhilfeträger im Wege einer interessengerechten Auslegung des § 116 Abs. 6 SGB X den gegen den Haftpflichtversicherer gerichteten Direktanspruch in Auflockerung des Grundsatzes der Akzessorietät aus der Übergangssperre ausgegrenzt. In diesem besonderen Fall tritt der mit dem Direktanspruch verbundene Akzessorietätsgedanke gegenüber dem Subsidiaritätsgrundsatz des Sozialhilferechts zurück. Dies ist erforderlich, um einen sonst auftretenden Normenkonflikt zwischen der ...