Rz. 87
Am 15.11.1983 erlitt die damals 18 Jahre alte Brigitte S. (im Folgenden: die Geschädigte) als Insassin in einem von ihrem Vater gesteuerten Pkw schwere Verletzungen. Ihr Vater war bei einem Überholmanöver auf schnee- und eisglatter Fahrbahn mit dem Pkw auf der linken Fahrspur ins Schleudern geraten und dort mit einem entgegenkommenden Lkw zusammengeprallt. Bei dem Unfall wurden die Eltern der Geschädigten tödlich verletzt. Sie selbst erlitt so schwere Verletzungen, dass sie lange in Lebensgefahr schwebte und in der Mitte des Jahres 1984 noch nicht ansprechbar war. Sie war auf Dauer pflegebedürftig und in einem Wohn- und Pflegeheim für Behinderte untergebracht. Am 13.12.1983 wurde das Jugendamt des Kreises B., des Klägers, zum Pfleger bestellt; der Wirkungskreis des Pflegers umfasste das Recht der Aufenthaltsbestimmung, der Entscheidung über Heilbehandlungen und die Vermögenssorge. Seit dem 22.7.1985 war das Jugendamt der Stadt Bot. zum neuen Pfleger bestellt.
Rz. 88
Die Kosten der Heimunterbringung und Versorgung der Geschädigten wurden bis zum 31.1.1987 aus den Erlösen eines rückgängig gemachten Kaufvertrages der Eltern über ein Einfamilienhaus, aus Lebensversicherungen und aus Betriebsrenten gedeckt. Seit dem 1.2.1987 erhielt die Geschädigte Hilfe zur Pflege im Heim nach § 68 BSHG; Kostenträger dieser Sozialhilfe war der Kläger.
Rz. 89
Mit Schreiben vom 24.6.1987 bat das Sozialamt des klagenden Kreises den Beklagten – den Haftpflichtversicherer für das Fahrzeug, mit dem der Vater der Geschädigten den Unfall verursacht hatte – um Auskunft über die bisherigen Versicherungsleistungen. Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 14.7.1987, dass Zahlungen nicht erfolgt seien; es sei zweifelhaft, ob der Vater der Geschädigten den Unfall verschuldet habe, im Übrigen seien etwaige Schadensersatzansprüche längst verjährt. In der Folgezeit bemühte sich das Sozialamt des Klägers bei der Stadt Bot., dem AG Bot., dem Jugendamt des klagenden Kreises und dem Beklagten vergeblich um eine Aufklärung des Unfallgeschehens. Auf ein erneutes Schreiben des Sozialamts vom 28.9.1989 teilte der Beklagte unter dem 17.10.1989 das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft mit. Daraufhin erhielt das Sozialamt des Klägers Mitte November 1989 Einsicht in die Strafakten. Mit Schreiben vom 15.11.1990 forderte dieses Amt den Beklagten nunmehr unter Darstellung des Unfallablaufs aus übergegangenem Recht (§ 116 Abs. 1 SGB X) zur Erstattung der durch die Sozialhilfe bisher entstandenen Aufwendungen auf; ferner bat das Sozialamt den Beklagten wegen der zukünftigen Aufwendungen für die Heimunterbringung der Geschädigten um eine allgemeine Kostenzusage. Unter dem 30.11.1990 lehnte der Beklagte unter Hinweis auf die nach seiner Auffassung längst eingetretene Verjährung der Schadensersatzansprüche der Geschädigten eine Erstattung der Sozialhilfeaufwendungen des Klägers ab.
Rz. 90
Mit der am 2.4.1991 bei Gericht eingegangenen und dem Beklagten am 5.4.1991 zugestellten Klage hat der Kläger von dem Beklagten für die Zeit vom 1.2.1987 bis Februar 1991 die Erstattung seiner auf 152.447,37 DM bezifferten Aufwendungen für die Heimunterbringung der Geschädigten verlangt; außerdem hat er die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer monatlichen Rente von 3.715,86 DM ab 1.3.1991 sowie die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung der weiteren mit diesem Sozialhilfefall verbundenen Aufwendungen begehrt. Er hat sich dabei zunächst auf einen Anspruchsübergang nach § 116 Abs. 1 SGB X, später auf eine Überleitungsanzeige gemäß § 90 BSHG vom 5.6.1991 und zuletzt auf eine vormundschaftsgerichtlich genehmigte Abtretungserklärung des Pflegers der Geschädigten vom 30.8.1991, mit der ihre Schadensersatzansprüche aus dem Unfall gegen den Beklagten an den Kläger abgetreten wurden, berufen.
Rz. 91
Der Beklagte hat geltend gemacht, dass Schadensersatzansprüche der Geschädigten aus dem Unfall wegen des Angehörigenprivilegs aus § 116 Abs. 6 SGB X nicht auf den Kläger übergegangen seien; außerdem seien solche Ansprüche längst verjährt.
Das LG hat die Klage abgewiesen, die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgte der Kläger seine Klageansprüche weiter.