Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 8
Zu beachten gilt es hierbei freilich, dass Kinder, die nur von einem Ehegatten abstammen, nur bei dessen Tod pflichtteilsberechtigt sind.
Beispiel
Ehemann A und Ehefrau B sind in zweiter Ehe miteinander im gesetzlichen Güterstand verheiratet. A hat aus erster Ehe drei Kinder C, D und E mitgebracht. B bringt ein Kind F mit in die Ehe. Im Rahmen eines Berliner Testaments setzen sich die Ehegatten auf den ersten Todesfall gegenseitig zu Alleinerben ein, um sich wechselseitig abzusichern. Schlusserben nach dem Zweitversterbenden sollen die vier Kinder C, D, E und F zu je ¼ werden. Gemeinsame Kinder sind nicht vorhanden.
Die Rechtsfolgen bei Vorversterben des A stellen sich wie folgt dar:
Alleinerbe wird die B. Die Kinder des A können ihren Pflichtteil in Höhe von je 1/12 beanspruchen. Dies stellt natürlich eine erhebliche Gefährdung des Gestaltungsziels dar, wonach der überlebende Ehegatte abgesichert werden soll.
Nach dem Tod der länger lebenden B werden die vier Kinder Miterben zu je ¼. Pflichtteilsberechtigt wäre auf den zweiten Todesfall nur das Kind F. Die Pflichtteilsquote beläuft sich auf ½. Damit käme § 2306 BGB zur Anwendung. Dem pflichtteilsberechtigten Erben steht generell das Wahlrecht zu, den beschwerten Erbteil anzunehmen oder auszuschlagen, um den Pflichtteil zu verlangen.
Praxishinweis
Bei der Anordnung zu kleiner Erbteile, verbunden mit Beschränkungen und Beschwerungen, ist die Gefahr einer Ausschlagung umso größer, je geringer der hinterlassene Erbteil ist. Gerade bei der Errichtung von Testamenten oder Erbverträgen im Rahmen von Patchworkfamilien sollte der Berater diese Vorschrift immer im Blickfeld behalten!
Außerdem kann F einen Pflichtteilsrestanspruch gem. § 2305 BGB gegenüber den übrigen Erben geltend machen, da die F als Mindestteilhabe am Nachlass der Mutter B wenigstens ihren Pflichtteil von ½ erhalten muss. Tatsächlich kann die F somit von C, D und E neben ihrem Erbteil von ¼ noch zusätzlich ¼ des Nachlasswertes in Geld verlangen, da es sich bei dem Pflichtteilsanspruch um einen reinen schuldrechtlichen Geldanspruch handelt.
Zusammenfassend lässt sich also in dem Beispielfall festhalten, dass die eingetretene Nachlassverteilung deutlich von dem eigentlich angestrebten Ergebnis abweicht. F erhält die Hälfte des Nachlasses, wohingegen C, D und E jeweils nur 1/6 erhalten.
a) Lösungsvariante: Pflichtteilsverzicht
Rz. 9
Um im obigen Beispielfall das unerwünschte Ergebnis zu vermeiden, wäre es möglich, mit den Abkömmlingen jeweils einen notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrag (§§ 2346 Abs. 2, 2348 BGB) abzuschließen. Selbstverständlich eignet sich diese Variante nur, wenn sich alle Kinder zum Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrags bereit erklären. Im Gegenzug wollen diese häufig eine Absicherung dahingehend haben, dass sie auf den Schlusserbfall auch tatsächlich als Erben eingesetzt werden. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass der ursprüngliche Nachlassverteilungsplan nochmals abgeändert wird und das Kind aufgrund des erklärten Verzichts leer ausgeht. Diese Absicherung kann erreicht werden, indem die Ehegatten auf eine nachträgliche Änderung des Verteilungsplans verzichten bzw. eine solche Änderung nur bei Mitwirkung und Zustimmung der Endbedachten erfolgen kann (siehe Rdn 30 ff.).
Eine weitere Alternative der Absicherung des Endbedachten besteht darin, den Pflichtteilsverzicht unter die auflösende Bedingung zu stellen, dass er bei nachträglicher Änderung der Nachlassverteilung zum Nachteil des Endbedachten seine Wirkung verliert. Bei Eintritt der auflösenden Bedingung entsteht der Pflichtteilsanspruch rückwirkend auf den Zeitpunkt des ersten Erbfalls. Um eine mögliche Verjährung des Anspruchs zu verhindern (die Dreijahresfrist des § 2332 BGB könnte bereits abgelaufen sein!) sollte darauf geachtet werden, dass die Ehegatten jeweils auf die Einrede der Verjährung verzichten.
Formulierungsbeispiel (Pflichtteilsverzicht unter auflösender Bedingung mit Verzicht auf die Einrede der Verjährung)
Der (…) (Verzichtende) verzichtet mit Wirkung auch für seine Abkömmlinge gegenüber seinem Elternteil X auf seine Pflichtteilsansprüche.
Der Verzicht erstreckt sich auch auf solche Pflichtteilsergänzungsansprüche, die auf Zuwendungen an den derzeitigen Ehegatten meines Elternteils X basieren.
Gesetzliche Erbansprüche oder Zuwendungen in einer Verfügung von Todes wegen werden von dem Verzicht nicht erfasst.
Der vorstehende Verzicht erfolgt unter der auflösenden Bedingung, dass die in dem Erbvertrag vom (…)/Verfügung von Todes wegen vom (…) enthaltenen Erbeinsetzungen und Vermächtnisse mir nicht in der dort festgelegten Form zufallen sollten. Dies gilt auch für die Fälle, dass sich meine Pflichtteilsquote reduziert, die Nachlassbeteiligung durch weitere Beschwerungen belastet wird oder die Verfügung von Todes wegen unwirksam wird.
Sollte ich vorversterben oder meine Nachlassbeteiligung ausschlagen, bleibt der Pflichtteilsverzicht aber wirksam.
Der Erblasser X nimmt diesen Verzicht an.
Um sicherzustellen, dass der Verzichtende seinen Pflichtteilsan...