Florian Enzensberger, Maximilian Maar
a) Bindungswirkung
Rz. 26
Werden im Rahmen eines Testaments der Patchworkfamilie alle Abkömmlinge gleichberechtigt zu Schlusserben eingesetzt, so ist es wichtig, dass die Schlusserbeneinsetzung bindend erfolgt, um zu verhindern, dass der Zweitversterbende die Verfügung von Todes wegen noch zu Ungunsten der Kinder des Erstversterbenden ändert.
Als bindende Verfügungen gelten sowohl beim Erbvertrag als auch beim Ehegattentestament nur die Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen (§§ 2278 Abs. 2, 2271 Abs. 3 BGB).
Rz. 27
Als wechselbezüglich gilt die Verfügung eines Ehegatten, die er nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen hätte, wenn die Verfügungen in ihrem rechtlichen Bestand voneinander abhängen, also miteinander stehen und fallen sollen. Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen sind aber nicht schon deshalb wechselbezüglich, weil entsprechende Verfügungen im Ehegattentestament festgehalten sind. Sie sind vielmehr immer nur dann wechselbezüglich, wenn die Ehegatten eine entsprechende Wechselbezüglichkeit vereinbart haben oder sich die Wechselbezüglichkeit aus dem Testament ergibt. Andererseits können die Ehegatten andere Verfügungen als Erbeinsetzung, Vermächtnis und Auflage auch nicht durch Vereinbarung wechselbezüglich machen. Für Erbfälle ab dem 17.8.2015 kann auch die Wahl des anzuwendenden Rechts als wechselbezüglich vereinbart werden.
Maßgeblich ist der übereinstimmende Wille der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Enthält ein gemeinschaftliches Testament keine klare und eindeutige Anordnung zur Wechselbezüglichkeit, muss diese nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und für jede Verfügung gesondert ermittelt werden. Erst wenn die Ermittlung des Erblasserwillens weder die gegenseitige Abhängigkeit noch die gegenseitige Unabhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen ergibt, ist gemäß § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht. Diese Auslegungsregel ist erst dann heranzuziehen, wenn nach Überprüfung aller inner- und außerhalb des Testaments liegenden Umstände verbleibende Zweifel nicht zu beseitigen sind. Das OLG München hat in einem Beschl. v. 16.4.2007 eine Bindung des überlebenden Ehegatten an die Einsetzung gemeinsamer Bekannter als Schlusserben in einem gemeinschaftlichen Testament verneint.
Das KG Berlin hat sich in einer Entscheidung aus dem Jahre 2018 mit der Frage der Wechselbezüglichkeit sehr dezidiert auseinandergesetzt und folgende Grundsätze festgehalten: Ob einer gemeinschaftlichen Verfügung Wechselbezüglichkeit nach § 2270 Abs. 1 BGB zukommt, ist laut KG im Einzelfall durch das Gericht festzustellen und setzt die hinreichende Überzeugung voraus, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre. Für diese Überzeugungsbildung sind allein die üblichen Formulierungen wie "Unser Testament", "…uns gegenseitig zu Alleinerben…" und "…unsere Kinder zu …" nicht ausreichend. Fehlt die ausdrückliche Anordnung der Wechselbezüglichkeit im Testament, so ist die Wechselbezüglichkeit durch Auslegung der testamentarischen Erklärungen zu ermitteln. An die Feststellung des Näheverhältnisses i.S.d. § 2270 Abs. 2 BGB sind grds. hohe Anforderungen zu stellen, um die Vermutung nicht zur gesetzlichen Regel werden zu lassen. Ohne besondere Anhaltspunkte ist ein Näheverhältnis nicht anzunehmen, wenn der vorversterbende Ehepartner seine Stiefkinder zu Schlusserben einsetzt. Tanck beschäftigt sich mit dem Problemkreis in einem sehr instruktiven Aufsatz.
Für den Berater ist es bei Erstellung der Verfügung von Todes wegen deshalb von entscheidender Bedeutung exakt festzuhalten, welche Verfügungen wechselbezüglich/vertragsmäßig getroffen sind und damit bindend sein sollen.
Bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament ist der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Erstversterbenden an die wechselbezüglichen Verfügungen gem. § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB gebunden. Eine abweichende Verfügung von Todes wegen wäre unwirksam.
Formulierungsbeispiel: Ehegattentestament
Die in unserem gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügungen für den ersten und auch für den zweiten Todesfall sollen insgesamt wechselbezüglich und bindend sein. Wir wurden darüber belehrt, dass wir gemeinsam das Testament insgesamt oder in Teilen aufheben oder ändern können und jeder von uns berechtigt ist, zu Lebzeiten des anderen einseitig seine letztwilligen Verfügungen zu widerrufen. Der Widerruf bedarf der notariellen Beurkundung. Das Recht zum Widerruf erlischt mit dem Tode des Erstversterbenden.
Abweichende einseitige Verfügungen nach dem Ableben des Längerlebenden sind gemäß § 2297 BGB nur dann möglich und wirksam, wenn entweder der länger lebende Eh...