Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 54
Gemäß § 1371 Abs. 2 BGB kann der überlebende Ehegatte den Zugewinnausgleich nach den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390 BGB geltend machen, für den Fall, dass er nicht Erbe wird und ihm auch kein Vermächtnis zusteht. Der Pflichtteil bestimmt sich dann nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil des Ehegatten.
Außerdem kann der länger lebende Ehegatte nach § 1371 Abs. 3 BGB das ihm Zugedachte ausschlagen und die Durchführung des Zugewinnausgleichs verlangen.
Hierin liegt ein erhebliches Gefahrenpotenzial, das die Verwirklichung der gewünschten Gestaltungsziele bei Testamenten von Patchworkfamilien verhindern kann. Um diese Gefahr von vorneherein auszuschließen, kann ein Ehe- und Erbvertrag mit wechselseitigem Pflichtteilsverzicht vereinbart werden.
Mittels einer entsprechenden ehevertraglichen Regelung kann der Zugewinnausgleichsanspruch aus den §§ 1371 Abs. 2 und Abs. 3 BGB ausgeschlossen werden. Nicht ausgeschlossen werden sollte allerdings die Möglichkeit der Durchführung des Zugewinnausgleichs für den Fall eines späteren ehevertraglichen Güterstandwechsels. Mit der sog. "Güterstandsschaukel" können nämlich steuerfreie Vermögensverschiebungen vorgenommen werden. Die Ehegatten beenden die bislang bestehende Zugewinngemeinschaft, indem sie in den Güterstand der Gütertrennung wechseln. Die Ausgleichsforderung, die einem Ehegatten bei Wechsel in die Gütertrennung zusteht, unterliegt nach § 5 Abs. 2 ErbStG nicht der Schenkungsteuer. Regelmäßig wechseln die Ehegatten später wieder zurück in den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Dies schon deshalb, da sich im Güterstand der Gütertrennung eine Erhöhung der Pflichtteilsquoten der übrigen Angehörigen ergeben kann, die nicht gewünscht ist.
Teilweise wird in der Literatur die Meinung vertreten, dass sich durch diese Gestaltungsvariante eine Reduzierung der Pflichtteilslast erreichen lässt. Hier ist allerdings höchste Vorsicht geboten. Der Zugewinnausgleich, der aufgrund eines Güterstandwechsels gezahlt wurde, stellt zwar grundsätzlich keine Schenkung nach § 2325 BGB dar. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Güterstandwechsel ehewidrigen Zwecken dient, d.h. ausschließlich eine Minimierung des Pflichtteils eines Abkömmlings herbeiführen soll. In einem solchen Fall dürfte die Missbrauchskontrolle des BGH eingreifen, so dass von einer Güterstandschaukel abzuraten ist.
Zuwendungen unter Ehegatten, die zur Verwirklichung oder Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft und in der Erwartung, dass diese Gemeinschaft Bestand haben werde, vorgenommen werden, qualifiziert der BGH als ehebezogene Zuwendungen und grenzt sie somit deutlich von Schenkungen im Sinne des § 516 BGB ab. Hieraus könnte grundsätzlich gefolgert werden, dass ehebezogene Zuwendungen immer ergänzungsfest seien. Um dem hiermit verbundenen Gestaltungsmissbrauch einen Riegel vorzuschieben, verzichtet der BGH bei ehebezogenen Zuwendungen auf das Tatbestandsmerkmal der Einigung über die Unentgeltlichkeit und lässt die objektive Unentgeltlichkeit der Zuwendung genügen, um den Anwendungsbereich des § 2325 BGB zu eröffnen. Ehebezogene Zuwendungen stehen folglich hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Erb- und Pflichtteilsrecht den Schenkungen gleich.
Rz. 55
Unter Hinweis auf den Halbteilungsgrundsatz wird in der Literatur gefordert, dass Zuwendungen bis zur Höhe eines fiktiven Zugewinnausgleichs grundsätzlich ergänzungsfest sein sollten. Pawlytta weist demgegenüber darauf hin, dass es auf diese Weise zu einer doppelten Begünstigung des Ehegatten kommen könne, wenn einerseits eine lebzeitige Gleichstellung beider Ehegatten im Wege ergänzungsfester ehebezogener Zuwendungen durchgeführt wurde und andererseits durch die Erbteilserhöhung nach § 1371 Abs. 1 BGB im Erbfall zusätzlich ein pauschalierter Zugewinnausgleich erfolge. Dieser Sichtweise ist zu folgen. Demnach müssten ehebezogene Zuwendungen jedenfalls dann ergänzungsfest sein, wenn der überlebende Ehegatte insgesamt nicht mehr erhält als sich bei der Anwendung der ihm zustehenden gesetzlichen Erbquote auf die Summe aus realem und fiktivem Nachlass ergibt. Pawlytta legt jedoch mit Recht Wert darauf, dass die Sichtweise des BGH, der eine Ergänzungsfreiheit ehebezogener Zuwendungen bis zur Höhe des rechnerischen Zugewinnausgleichs ausdrücklich abgelehnt hat, unbedingt zu berücksichtigen ist.
Allerdings sind die vom BGH ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmetatbestände der Unterhalts- oder Alterssicherung sowie der nachträglichen Vergütung langjähriger Dienste zu beachten.
Zu empfehlen ist im Rahmen des Ehe- und Erbvertrags auch die Beibehaltung des pauschalen Zugewinnviertels gem. § 1371 Abs. 1 BGB gerade im Hinblick auf das Erbschaftsteuerprivileg des § 5 Abs. 1 ErbStG.
Praxistipp
Von der Vereinbarung einer Gütertrennung ist dagegen abzuraten, da hierdurch die Pflichtteilsquoten der Kinder erhöht werden. Diese könnte sich als Nachteil herausstellen, wenn der Erblasser eines der Kinder enterbt hat.
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