Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 92
Bereits an anderer Stelle (vgl. Rdn 72) wurde aufgezeigt, dass alleine durch Schenkungen unter Ehegatten eine Reduzierung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs wegen § 2325 Abs. 3 Hs. 2 BGB nicht gelingen mag. Allerdings gibt es Gestaltungsmittel unter Ehegatten, die durchaus pflichtteilsergänzungsfest sein können.
a) Wechsel in den Güterstand der Gütergemeinschaft
Rz. 93
Durch den Wechsel in den Güterstand der Gütergemeinschaft werden die beiden Vermögenssubstanzen der Ehegatten zu einem gemeinschaftlichen Vermögen, dem sog. "Gesamtgut" verschmolzen (§ 1416 Abs. 1 S. 1 BGB). Das Gesamtgut entsteht kraft Gesetzes und Bedarf infolgedessen keines rechtsgeschäftlichen Übertragungsaktes (§ 1416 Abs. 2 Hs. 2 BGB). Durch diese Maßnahme wird Vermögen des wohlhabenderen Ehegatten auf den ärmeren Ehegatten umgeschichtet. Eine solche Maßnahme bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen auf das Pflichtteilsrecht.
Zum einen ändert sich die gesetzliche Erbquote des Ehegatten. Diese beträgt in der Gütergemeinschaft nach § 1931 Abs. 1 BGB lediglich noch ein Viertel. Im Rahmen der Zugewinngemeinschaft stand dem Ehegatten darüber hinaus noch das pauschale Zugewinnviertel aus §§ 1931 Abs. 3 i.V.m. § 1371 Abs. 1 BGB zu.
Zum anderen wird durch die "Halbierung" des Vermögens der Nachlass letztendlich reduziert.
Es muss aber berücksichtigt werden, dass sich die Pflichtteilsquote der Abkömmlinge erhöht. Standen diesen im Rahmen der Zugewinngemeinschaft als Erbquote ½ zu und damit eine Pflichtteilsquote von ¼, erhöht sich die Pflichtteilsquote durch die Vereinbarung der Gütergemeinschaft auf ⅜ (Erbquote ¾). Folglich kommt der Gütergemeinschaft nur dann pflichtteilsreduzierende Wirkung zu, wenn das von Seiten des Erblassers in die Gütergemeinschaft eingebrachte Vermögen dreimal so viel wert war wie das des anderen Ehegatten. Dies gilt aber nur gegenüber pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen.
Obschon mit dem Wechsel in die Gütergemeinschaft ein erheblicher Vermögenstransfer auf den anderen Ehegatten verbunden sein kann, sieht der BGH hierin keine pflichtteilsergänzungsrelevante Zuwendung. Demnach stehe es den Ehegatten frei, ihre güterrechtlichen Verhältnisse für die Zukunft zu ändern, ohne dass der güterrechtliche Rechtsgrund der Schenkung verdrängt werde. Der BGH stellt hierzu folgenden Grundsatz auf: "In der Begründung einer Gütergemeinschaft kann nur ausnahmsweise eine Schenkung des begüterten an den bereicherten Ehegatten liegen. Dazu bedarf es außer der Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung noch einer Verdrängung der güterrechtlichen causa für die Bereicherung durch den schuldrechtlichen Schenkungsvertrag. Für eine solche Annahme bedarf es der Feststellung, dass die Geschäftsabsichten der Eheleute nicht in der Zweckverwirklichung der Ehe auf eine Ordnung der beiderseitigen Vermögen gerichtet waren." Es geht also im Wesentlichen um den Schutz der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge durch die Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen. So kann z.B. eine kurz vor dem Tod eines Ehegatten getroffene güterrechtliche Vereinbarung Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen. Das Gleiche gilt auch dann, wenn kurz nach Vereinbarung der Gütergemeinschaft wieder Gütertrennung vereinbart wird und dadurch ein überdurchschnittlicher Teil des Vermögens auf den bisher eigentlich vermögenslosen Ehegatten transferiert wird.
Praxishinweis
Der juristische Berater sollte sehr vorsichtig mit der Vereinbarung einer Gütergemeinschaft zur Vermeidung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen umgehen. Liegen dem Wechsel des Güterstandes ehefremde Zwecke zu Grunde, führt der Wechsel nicht zur Vermeidung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Es muss also festgehalten werden, dass die Vereinbarung einer Gütergemeinschaft nicht sicher zur Reduzierung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen führt. Da auf der anderen Seite aber dem Güterstand der Gütergemeinschaft nicht unerhebliche Nachteile anhaften wie z.B. die gesetzlich angeordnete Haftungsgemeinschaft, sollte nur sehr zurückhaltend mit dieser Konstruktion umgegangen werden.
b) Güterstandsschaukel
Rz. 94
Eine weitere Variante, um die Pflichtteilsansprüche zu reduzieren, kann darin bestehen, dass die Ehegatten per Ehevertrag in den Güterstand der Gütertrennung wechseln. Dadurch wird kraft Gesetzes ein Zugewinnausgleichsanspruch ausgelöst (§§ 1372, 1378 Abs. 3 S. 1 BGB). Diese Konstruktion nennt man "Güterstandsschaukel".
Die Vermögenswerte, die durch den Wechsel übertragen werden, unterliegen nicht der Pflichtteilsergänzung. Weiterer Effekt ist, dass das transferierte Vermögen auch nicht der Schenkungssteuer unterfällt (§ 5 Abs. 2 ErbStG). Diese Variante wird in der Literatur durchgängig als unproblematisch angesehen.
Unerwünschter Nebeneffekt des Wechsels vom gesetzlichen Güterstand in den Güterstand der Gütertrennung ist allerdings, dass dadurch die Pflichtteilsquoten derjenigen Personen erhöht werden...