Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 9
Um im obigen Beispielfall das unerwünschte Ergebnis zu vermeiden, wäre es möglich, mit den Abkömmlingen jeweils einen notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrag (§§ 2346 Abs. 2, 2348 BGB) abzuschließen. Selbstverständlich eignet sich diese Variante nur, wenn sich alle Kinder zum Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrags bereit erklären. Im Gegenzug wollen diese häufig eine Absicherung dahingehend haben, dass sie auf den Schlusserbfall auch tatsächlich als Erben eingesetzt werden. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass der ursprüngliche Nachlassverteilungsplan nochmals abgeändert wird und das Kind aufgrund des erklärten Verzichts leer ausgeht. Diese Absicherung kann erreicht werden, indem die Ehegatten auf eine nachträgliche Änderung des Verteilungsplans verzichten bzw. eine solche Änderung nur bei Mitwirkung und Zustimmung der Endbedachten erfolgen kann (siehe Rdn 30 ff.).
Eine weitere Alternative der Absicherung des Endbedachten besteht darin, den Pflichtteilsverzicht unter die auflösende Bedingung zu stellen, dass er bei nachträglicher Änderung der Nachlassverteilung zum Nachteil des Endbedachten seine Wirkung verliert. Bei Eintritt der auflösenden Bedingung entsteht der Pflichtteilsanspruch rückwirkend auf den Zeitpunkt des ersten Erbfalls. Um eine mögliche Verjährung des Anspruchs zu verhindern (die Dreijahresfrist des § 2332 BGB könnte bereits abgelaufen sein!) sollte darauf geachtet werden, dass die Ehegatten jeweils auf die Einrede der Verjährung verzichten.
Formulierungsbeispiel (Pflichtteilsverzicht unter auflösender Bedingung mit Verzicht auf die Einrede der Verjährung)
Der (…) (Verzichtende) verzichtet mit Wirkung auch für seine Abkömmlinge gegenüber seinem Elternteil X auf seine Pflichtteilsansprüche.
Der Verzicht erstreckt sich auch auf solche Pflichtteilsergänzungsansprüche, die auf Zuwendungen an den derzeitigen Ehegatten meines Elternteils X basieren.
Gesetzliche Erbansprüche oder Zuwendungen in einer Verfügung von Todes wegen werden von dem Verzicht nicht erfasst.
Der vorstehende Verzicht erfolgt unter der auflösenden Bedingung, dass die in dem Erbvertrag vom (…)/Verfügung von Todes wegen vom (…) enthaltenen Erbeinsetzungen und Vermächtnisse mir nicht in der dort festgelegten Form zufallen sollten. Dies gilt auch für die Fälle, dass sich meine Pflichtteilsquote reduziert, die Nachlassbeteiligung durch weitere Beschwerungen belastet wird oder die Verfügung von Todes wegen unwirksam wird.
Sollte ich vorversterben oder meine Nachlassbeteiligung ausschlagen, bleibt der Pflichtteilsverzicht aber wirksam.
Der Erblasser X nimmt diesen Verzicht an.
Um sicherzustellen, dass der Verzichtende seinen Pflichtteilsanspruch auch dann noch durchsetzen kann, wenn die auflösende Bedingung durch eine Änderung der Nachlassverteilung durch den Längerlebenden herbeigeführt wird, wird auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Der Verzichtende kann somit auch dann noch Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach Eintritt der auflösenden Bedingung geltend machen, wenn die gesetzliche Verjährungsfrist des § 2332 BGB bereits abgelaufen ist.
Der Verzichtende nimmt den Verzicht auf die Einrede der Verjährung an.
Rz. 10
Zu beachten ist ferner, dass gem. § 2351 BGB der Verzichtsvertrag wieder aufgehoben werden und sich die Pflichtteilsproblematik erneut stellen könnte.
Sofern derartige Befürchtungen im Raum stehen, sollten die Ehegatten vorsorgen und eine Verpflichtung zur Nichtaufhebung des Vertrags vereinbaren. Ein solcher Vertrag sollte als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet werden, um den durch die Aufhebung des Vertrags benachteiligten Abkömmlingen des anderen Ehegatten einen Schadensersatzanspruch zu geben.
Schindler will den Aufhebungsvertrag nach § 2351 BGB als Verfügung von Todes wegen qualifizieren, der dann gemäß § 2289 Abs. 1 BGB unwirksam wäre. Diese Argumentation überzeugt allerdings nicht. Nach heute einhelliger Rechtsprechung wird der Aufhebungsvertrag als Rechtsgeschäft unter Lebenden qualifiziert.
Zu bedenken ist auch, dass der Abschluss eines Pflichtteilsverzichts nicht selten mangels Gegenleistung oder wegen persönlicher Differenzen nicht möglich ist. Auch bei minderjährigen Kindern scheitert der Abschluss in aller Regel an der fehlenden familiengerichtlichen Genehmigung. Diese wird nur dann in Aussicht gestellt, wenn eine entsprechende Gegenleistung bezahlt wird.