Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 89
Teilweise wird auch die Auffassung vertreten, dass es sich beim Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung um ein aleatorisches Rechtsgeschäft handle, das geeignet ist, den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu unterlaufen. Allerdings ist diese Meinung heftig umstritten. In der Literatur werden zu diesem Problemfeld nahezu alle Meinungen vertreten. Eine umfassende Darlegung des Meinungsstandes findet sich in Kornexl. Nach Auffassung von Kornexl lässt sich eine generelle Antwort auf die Frage, ob eine vom Erblasser für einen Erbverzicht gewährte Abfindung als entgeltlich oder unentgeltlich zu qualifizieren ist, nur unter Beachtung des jeweiligen Normzwecks beantworten.
Rz. 90
Zu dieser umstrittenen Frage werden im Wesentlichen drei Meinungen vertreten:
1. |
Eine Meinung geht von einer grundsätzlichen Entgeltlichkeit im Hinblick auf den maßgeblichen Parteiwillen aus, soweit sich die Abfindung am Wert des Erbteils orientiert und nicht deutlich über ihn hinausgeht. Es gilt das schenkungsrechtliche Prinzip der subjektiven Äquivalenz mit den objektiven Grenzen der Vertragsfreiheit. |
2. |
Eine andere Auffassung sieht darin grundsätzlich einen unentgeltlichen Vorgang, da es sich um einen zeitlich vorgezogenen unentgeltlichen Erwerb zu Lebzeiten statt von Todes wegen handelt. |
3. |
Eine dritte Meinung vertritt den Standpunkt, dass eine Pflichtteilsergänzung nur dann in Betracht kommt, soweit die Leistung des Erblassers an den Verzichtenden über eine angemessene Abfindung für dessen Erbverzicht hinausgeht. Es handelt sich insoweit um eine einschränkende Auslegung des § 2325 BGB zur Vermeidung einer doppelten Berücksichtigung des Erbverzichts insoweit, als die Vermögensweggabe durch eine Erhöhung der Pflichtteilsquote nach § 2310 S. 2 BGB wieder kompensiert wird. |
Rz. 91
Der BGH hat in einem Beschl. v. 3.12.2008 festgestellt, dass wegen der Abfindung, die der Erblasser für den Verzicht eines Abkömmlings auf das gesetzliche Erbrecht leistet, einem weiteren Abkömmling ein Pflichtteilsergänzungsanspruch im Hinblick auf die Erhöhung seiner Pflichtteilsquote nach § 2310 S. 2 BGB grundsätzlich nicht zusteht. Dies setzt voraus, dass sich die Abfindung in dem Zeitpunkt, in dem sie erbracht wird, der Höhe nach im Rahmen der Erberwartung des Verzichtenden hält. Auf den Wert eines vom Verzichtenden zu beanspruchenden Pflichtteils kommt es insoweit nicht an. Für die Frage, ob die vom Erblasser gewährte Leistung über ein Entgelt oder eine angemessene Abfindung für den Erbverzicht hinausgeht, kann sich der Pflichtteilsberechtigte auf die in der Rechtsprechung bei gemischten Schenkungen anerkannte Beweiserleichterung berufen. Danach ist eine Schenkung zu vermuten, soweit zwischen Leistung und Gegenleistung ein objektives, über ein geringes Maß deutlich hinausgehendes Missverhältnis besteht.
Praxishinweis
Als Faustformel lässt sich sagen, dass es nicht ratsam ist, sich mit der Abfindung einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht "zu erkaufen" und diese Person dann am Nachlass umfangreich zu beteiligen. In einem solchen Fall hat der Verzicht nämlich keinerlei beschränkende Wirkung und ist damit auch nicht pflichtteilsergänzungsfest. Sinn macht ein Verzicht gegen Abfindung bei einem ungeliebten Pflichtteilsberechtigten.