Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 11
Kommt es nicht zum Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrags, so können die Abkömmlinge des erstversterbenden Ehegatten den Pflichtteil verlangen und damit die beabsichtigte Nachfolgeplanung empfindlich aus dem Gleichgewicht bringen.
Für diesen Fall sollte in der Verfügung von Todes wegen zumindest eine Pflichtteilsstrafklausel angeordnet werden. Mit einer solchen Klausel werden die Abkömmlinge gebeten, keine Pflichtteilsansprüche nach dem erstversterbenden Elternteil geltend zu machen. Falls sich die Kinder nicht an diese Vorgabe halten, sollen sie nach dem letztversterbenden Elternteil enterbt sein.
Praxishinweis
Es sollte unbedingt genau geregelt werden, zu welchem Zeitpunkt im Pflichtteilsverfahren die Klausel Wirksamkeit entfalten soll, z.B. bereits mit dem Auskunftsverlangen nach § 2314 BGB und/oder der Geltendmachung des Wertermittlungsanspruchs oder aber erst bei Erfüllung des Zahlungsanspruchs!
Formulierungsbeispiel
Wir bitten sämtliche Schlusserben und Ersatzschlusserben, nach dem Ableben des Erstversterbenden von uns gegen den Willen des Längerlebenden Pflichtteilsansprüche nach §§ 2303 ff. BGB oder Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht geltend zu machen. Wer dennoch den Pflichtteilsanspruch geltend macht und auch erhält, ist einschließlich seiner Abkömmlinge von der Schlusserbfolge und auch von evtl. zu seinen Gunsten angeordneter Vermächtnisse und Auflagen ausgeschlossen.
Rz. 12
Zu beachten ist hierbei allerdings, dass der Sozialhilfeträger grundsätzlich durch eine Pflichtteilsstrafklausel nicht an der Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs gehindert ist, trotz des entgegenstehenden Willens des Hilfeempfängers. Das LSG Nordrhein-Westfalen sah in der geforderten Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ausnahmsweise eine unzumutbare Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass in Fällen, in welchem die wirtschaftliche Lebensleistung der Eltern nur zu einer bescheidenen, die unmittelbaren Wohnbedürfnisses des überlebenden Ehegatten und damit das Alter wirtschaftlich sichernden Erbschaft führt und in denen eine Belastung der Allgemeinheit durch Leistungen nach dem SGB II prognostisch nur für einen kürzeren Zeitabschnitt zu erwarten ist, die Verwertung des Pflichtteilsanspruchs eine besondere Härte bedeutet. Der Pflichtteilsanspruch könnte nämlich nur unter Verletzung selbstverständlicher familiärer Pflichten geltend gemacht werden, was im ausgeurteilten Fall nicht zumutbar war, zumal die Familienverhältnisse völlig geordnet waren.
Anders urteilte das SG Mainz. Es könne weder eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit festgestellt werden, da das maßgebliche Berliner Testament eine Pflichtteilsstrafklausel enthalte, noch könne eine besondere Härte gem. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 2. Alt SGB II festgestellt werden. Regelmäßig seien schwerwiegende familiäre Konfliktsituationen bei der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs aufgrund eines Berliner Testaments nicht zu erwarten. Soweit nämlich ausreichend Barvermögen zur Auszahlung des Pflichtteilsanspruchs zur Verfügung stehen, scheide eine besondere Härte im Regelfall sogar aus.
Zu beachten ist dabei allerdings, dass der Senat des BSG zwar den Zwang zum Verkauf der selbst genutzten Immobilie des länger lebenden Ehegatten als Hinderungsgrund erwähnt hatte, jedoch Immobiliarvermögen dem Grunde nach keinen höheren Schutz vor dem Zugriff des Sozialleistungsträgers zugestand.
Die Klausel ist so auszulegen, dass das Kind, dessen Pflichtteil vom Sozialhilfeträger eingezogen wird, dennoch Erbe beim Schlusserbfall werden kann.
Rz. 13
Probleme mit einer ungenau formulierten Pflichtteilsstrafklausel wurden in einem vom OLG Celle zu entscheidenden Fall offensichtlich. Der Erblasser hatte aus erster Ehe ein Kind, die Ehefrau zwei Kinder. In ihrem gemeinschaftlichen Testament setzten sich die Ehegatten wechselseitig zu befreiten Vorerben ein und ihre sämtlichen Kinder zu Erben des länger lebenden Ehegatten. Der Sohn des Ehemanns wehrte sich nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten gegen das Erbrecht seiner Stiefgeschwister unter Hinweis auf die Pflichtteilsstrafklausel, die wie folgt lautete:
Zitat
"Macht eines unserer Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden von uns den Pflichtteil geltend, so soll es auch nach dem Tod des Letztversterbenden nur seinen Pflichtteil erhalten."
Die Ehegatten haben in diesem Fall ganz offensichtlich nicht bedacht, dass das einseitige Kind des erstversterbenden Ehegatten, das nach diesem den Pflichtteil beansprucht hat, beim zweiten Erbfall gar nicht pflichtteilsberechtigt ist. Die Pflichtteilsstrafklausel musste deshalb ausgelegt werden. Das OLG Celle hat die Klausel als auflösende Bedingung (§ 2075 BGB) für die Erbenstellung im zweiten Erbfall gesehen. Das Gericht vertrat jedoch weiter die Auffassung, dass der Wortlaut der Strafklausel den Rückschluss nahe legt, dass die Stiefkinder trotz Geltendmachung des Pflichtteils auf den ersten Erbfall auf den zweit...