Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 73
Bei Grundstücksübertragungen beginnt die Zehnjahresfrist grundsätzlich erst mit der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1BGB) zu laufen. Besonderheiten sind allerdings zu beachten, wenn das Grundstück unter Vorbehalt eines Nießbrauchs oder eines Wohnrechts übertragen wird.
Häufig behält sich gerade bei Grundstücksschenkungen der Erblasser einen Nießbrauch vor. Nach Ansicht des BGH und der sogenannten "Genussverzichtsrechtsprechung" kann eine den Fristbeginn auslösende Leistung nur dann vorliegen, wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt, sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand weiterhin im Wesentlichen zu nutzen, sei es aufgrund des Vorbehalts dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche.
Beim sog. "Vorbehaltsnießbrauch" gibt der Erblasser den Genuss des verschenkten Gegenstandes aber gerade nicht auf. Er erbringt kein spürbares Vermögensopfer, da er das Grundstück faktisch nicht aus seinem Vermögensbestand ausgliedert, sondern durch das starke Recht des Nießbrauchs nach wie vor Herr über das Grundstück ist.
Bei Vorbehalt eines Wohnungsrechts war lange Zeit umstritten, ob und bei welcher Gestaltung die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB zu laufen beginnt. Höchstrichterliche Rechtsprechung fehlte hierzu. Zwar hatte das OLG Karlsruhe in einer Entscheidung vom 15.1.2008 festgestellt, dass das verschenkte Hausanwesen i.S.v. § 2325 Abs. 3 BGB mit dem Eigentumsübergang geleistet ist, wenn der Erblasser das Hausanwesen einem Dritten unentgeltlich zugewandt hat und sich lediglich ein Wohnrecht an einer der im Haus befindlichen Wohnungen hat einräumen lassen. Anders als beim Vorbehalt des Nießbrauchs waren die Eltern mit Vollzug des Übergabevertrages nicht mehr "Herr im Haus". Dies stelle selbst bei ungetrübtem Verhältnis zur eigenen Tochter eine spürbare Schmälerung nicht nur der bisherigen Rechtsmacht, sondern auch des faktischen Vermögens dar. Dass die Klägerin die von ihr genutzte Wohnung nicht anderen überlassen durfte, ändere daran ebenso wenig wie das Rückerwerbsrecht ihrer Eltern im Falle einer Weiterveräußerung. Aber eine BGH-Entscheidung zu dieser Frage fehlte.
Der BGH hat allerdings mit Urt. v. 29.6.2016 eine Aussage zu dem Problemkreis getroffen. Der BGH hat festgestellt, dass in Ausnahmefällen die Frist mit Schenkungsvollzug bei Wohnrechtsvorbehalt nicht beginnt. Es kommt allerdings sehr auf den Einzelfall an. In dem zu entscheidenden Fall hat sich der Erblasser die Erdgeschosswohnung und damit das Wohnrecht an einer von drei Etagen vorbehalten. Das reichte dem BGH nicht aus, damit die Frist nicht beginnt! Der Schenker könne eben nicht den Gegenstand im Wesentlichen weiternutzen, so der Bundesgerichtshof.
Rz. 74
Des Weiteren sind in einem solchen Fall die Fragen zu klären, ob der Wert der vorbehaltenen Nutzung überhaupt als Abzugsposten beim Wert der Schenkung zu berücksichtigen ist und wie der Nutzungswert zu ermitteln ist.
Die Frage, ob überhaupt eine Berücksichtigung erfolgen kann, richtet sich nach dem sog. "Niederstwertprinzip". Ist der Grundstückswert beim Erbfall niedriger als bei Vollzug der Schenkung, unterbleibt ein Abzug der vorbehaltenen Nutzungen. Ist der Grundstückswert bei Vollzug der Schenkung jedoch niedriger, ist der Wert der Nutzungen bei der Berechnung der Pflichtteilsergänzung abzugsfähig. Bei der Anwendung des "Niederstwertprinzips" bleibt die Nutzung noch außer Betracht. Zu beachten ist, dass der Wert im Zeitpunkt der Schenkung anhand des Verbraucherpreisindex auf den Zeitpunkt des Erbfalls zu indexieren ist.
Dabei kann es Schwierigkeiten bei der Indexierung von Schenkungen vor dem Jahr 1991 geben, denn der Verbraucherpreisindex wurde erst 1991 eingeführt. Zuvor war der Lebenshaltungskostenindex maßgeblich, der bis in das Jahr 1948 zurückreicht. Bei Indexierung von Schenkungen vor Einführung des Verbraucherpreisindex hilft aber die Verbraucherpreisindextabelle aus Schulz/Hauß weiter, in welcher auch 99 Werte für den Zeitraum vor 1991 enthalten sind.
Ergibt die Berechnung, dass der Wert des Gegenstandes im Zeitpunkt der Schenkung maßgebend ist, wird in einem zweiten Schritt der Wert der Zuwendung unter Berücksichtigung des Nießbrauchs und des seitdem eingetretenen Kaufkraftschwundes ermittelt. Ist dagegen der Wert des Gegenstandes im Zeitpunkt des Erbfalls maßgebend, bleibt der Nießbrauch endgültig unberücksichtigt.
Der BGH und die herrschende Lehre gehen hierbei grundsätzlich von einer "abstrakten ex-ante-Betrachtung" aus. Der Nießbrauch ist mit seinem kapitalisierten Jahreswert in Ansatz zu bringen. Dabei ist als Jahreswert der nachhaltig erzielte Nettoertrag anzusetzen. Zur Kapitalisierung ist die statistische Lebenserwartung des Nießbrauchsberechtigten im Zeitpunkt der Zuwendung zugrunde zu legen. Die Vervielfältiger sind nach der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes zu ermitteln und ab dem 1. Januar des auf die Veröffentli...