Rz. 21

Auch das sog. "Supervermächtnis"[19] kann dazu dienen, einen Liquiditätsabfluss beim länger lebenden Ehegatten zu verhindern. Andererseits ermöglicht das "Supervermächtnis" dem Leistungsempfänger seinen erbschaftsteuerlichen Freibetrag nach dem Erstversterbenden auszunutzen.

[19] Ausführliche Darstellung bei Keim, ZEV 2016, 6 ff.

aa) Inhalt und Ausgestaltung

 

Rz. 22

Der Zuerstversterbende wendet den auf seinen Tod von der Erbfolge ausgeschlossenen ehegemeinsamen Kindern und/oder den Kindern aus der ersten Beziehung und/oder den Kindern des neuen Partners aus erster Beziehung ein Vermächtnis zu, dessen Zweck es ist, ihnen als Ersatz eine Abfindung einzuräumen und ihre Erbschaftsteuerfreibeträge auf den Tod des Zuerstversterbenden ganz oder teilweise auszuschöpfen. Der überlebende Ehegatte hat als Beschwerter die Befugnis, unter den Genannten den bzw. die Bedachten gem. § 2151 BGB und unter den Ausgewählten zu bestimmen, was jeder hieran gem. § 2153 BGB erhält. Er kann gemäß § 2156 BGB die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen und die Zeit der Erfüllung nach freiem Belieben gemäß § 2181 BGB festlegen. Er kann nach billigem Ermessen den Bedachten einzelne Gegenstände zuweisen, diese bewerten und Ausgleichs- bzw. Gleichstellungszahlungen festlegen.

Der überlebende Ehegatte kann somit unter der Berücksichtigung seines eigenen Versorgungsinteresses bestimmen:

den Zeitpunkt der Erfüllung des Vermächtnisses,
die Bedingungen der Vermächtniserfüllung,
den Gegenstand der Vermächtniserfüllung,
den Anteil am Vermächtnis sowie
diejenigen, die aus dem Kreis der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis erhalten sollen.

Das Vermächtnis kann auch durch wiederholte Übertragung von Vermögensvorteilen erfüllt werden, insbesondere wenn durch Zeitablauf neue erbschaftsteuerliche Freibeträge entstehen.

 

Rz. 23

Das "Supervermächtnis" bietet gegenüber einem herkömmlichen Freibetragsvermächtnis, das bei Ableben des ersten Elternteils anfällt und fällig wird, diverse Vorteile:

Die Liquidität des länger lebenden Ehegatten wird nicht eingeschränkt.
Bezieht eines der Kinder staatliche Leistungen (Hilfe zum Lebensunterhalt, Arbeitslosengeld II oder Bafög), würden diese Zahlungen aufgrund des Vermächtnisses eingestellt werden. Dies kann mit einem "Supervermächtnis" vermieden werden.
Das Vermögen steht dem länger lebenden Ehegatten zur Sicherung der Altersversorgung weiterhin zur Verfügung.
Hat eines der Kinder noch nicht die erforderliche Reife erlangt, um mit dem ererbten Vermögen verantwortungsbewusst umzugehen, kann der Anfall des Vermächtnisses auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben werden.

Beim sog. "Supervermächtnis" legt der Erblasser den Leistungsinhalt noch nicht fest. Angeordnet wird ein Zweckvermächtnis nach § 2156 BGB. Der Erblasser bestimmt lediglich das "Ob" der Leistung. Die Bestimmung des Leistungsinhalts wird dem länger lebenden Ehegatten bzw. einem Testamentsvollstrecker eingeräumt.

Zudem wird lediglich der Kreis der Bedachten festgelegt. Der länger lebende Ehegatte bzw. ein Testamentsvollstrecker darf nach § 2151 Abs. 1 BGB bestimmen, wer aus dem Kreis der bedachten Abkömmlinge überhaupt etwas erhält.

Sobald feststeht, welche Personen aufgrund des Vermächtnisses etwas erhalten sollen, muss noch geklärt werden, welchen Anteil die Personen jeweils erhalten sollen. Auch insoweit wird dem länger lebenden Ehegatten bzw. einem Testamentsvollstrecker ein Bestimmungsrecht eingeräumt, wobei § 2153 Abs. 1 BGB die Rechtsgrundlage darstellt.

Der Anspruch aus dem Vermächtnis entsteht gemäß § 2176 BGB mit dem Erbfall ("Anfall des Vermächtnisses"). Da der Erblasser den länger lebenden Ehegatten vor Liquiditätsproblemen schützen will, wird diesem auch ein Fälligkeitsbestimmungsrecht gem. § 2181 BGB zuerkannt.

Für den Fall, dass der überlebende Ehegatte möglicherweise aufgrund eintretender Geschäftsunfähigkeit nicht mehr in der Lage ist, sein Bestimmungsrecht auszuüben, sollte vorbeugend Testamentsvollstreckung angeordnet werden.

bb) Steuerliche Auswirkungen

 

Rz. 24

Der Vermögenszuwachs aufgrund einer Vermächtniserfüllung gilt gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ErbStG als Erwerb von Todes wegen. Dies trifft auch auf das "Supervermächtnis" zu, bei dem der Empfänger des Vermächtnisses wirtschaftlich aus den Vermögen des erstversterbenden Ehegatten bereichert wird. Folglich ermöglicht das "Supervermächtnis" dem Leistungsempfänger seinen erbschaftsteuerlichen Freibetrag nach dem erstversterbenden Ehegatten auszunutzen. Das "Supervermächtnis" fällt nicht unter § 6 Abs. 4 ErbStG.[20] Dies soll zumindest dann gelten, wenn der länger lebende Ehegatte das Vermächtnis noch zu seinen Lebzeiten erfüllt und die Fälligkeit des Vermächtnisses nicht bis zum Ableben des zweitversterbenden Ehegatten hinausgeschoben wird (§ 2181 BGB).[21] Im Rahmen der Beratung ist allerdings darauf hinzuweisen, dass diese Auffassung in der Rechtsprechung noch nicht abgesichert ist. Zu bedenken ist ferner, dass die Vermächtnisse bei dem länger lebenden Ehegatten erst dann als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden...

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