Rz. 45

Beim "Württembergischen Modell"[56] soll der länger lebende Ehegatte auf Lebenszeit die Nutzungen am Vermögen des Erstversterbenden erhalten. Hintergrund dieser Gestaltungsvariante ist auch die Minimierung der erbschaftsteuerlichen Gesamtbelastung. Hierzu werden dessen Erben, zumeist die gemeinsamen oder auch einseitigen Kinder des Erstversterbenden, mit einem Nießbrauchsvermächtnis beschwert. Gegenstand des Nießbrauchs kann sein

der gesamte Nachlass
die Erbteile.[57]
[56] Die Gestaltungsvariante trägt ihren Namen deshalb, da sie angeblich häufig in Baden-Württemberg zur Anwendung kommen soll.
[57] Mayer, DStR 2004, 1409 ff.

(1) Nießbrauch am gesamten Nachlass

 

Rz. 46

Hierauf sind gemäß § 1089 BGB die Vorschriften über den Vermögensnießbrauch (§§ 1085 bis 1088 BGB) anzuwenden. Es ist die Bestellung eines Nießbrauchsrechtes an jedem einzelnen Nachlassgegenstand erforderlich (§ 1085 BGB). An beweglichen Sachen wird der Nießbrauch formlos durch Einigung und Übergabe (§ 1032 BGB) bestellt. An Immobilien durch Einigung und Eintragung (§ 873 BGB). Die Eintragungsbewilligung muss dem Grundbuchamt in öffentlicher Urkunde vorgelegt werden (§ 29 GBO).

Bei Bestellung eines Nießbrauchs an verbrauchbaren Sachen wird der Nießbraucher gemäß § 1067 BGB deren Eigentümer. Nach Beendigung des Nießbrauchs hat der Nießbrauchnehmer den Wert zu ersetzen, den die verbrauchbare Sache bei Nießbrauchsbestellung hatte.

Der Nießbrauchnehmer erhält die Früchte und Gebrauchsvorteile der einzelnen Nachlassgegenstände (§ 100 BGB).

Die Veräußerung eines Nachlassgegenstandes hat keinerlei Auswirkungen auf das Nießbrauchsrecht. Zwar steht der Gegenstand dann im Eigentum einer anderen Person, das Recht des Nießbrauchnehmers bleibt jedoch unverändert bestehen. Hieraus folgt, dass auch die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ohne Mitwirkung des Nießbrauchnehmers möglich ist.

(2) Nießbrauch an Erbteilen

 

Rz. 47

Auf einen Rechtsnießbrauch sind gem. § 1068 Abs. 2 BGB die Vorschriften über den Nießbrauch an Sachen entsprechend anwendbar, soweit sich aus den §§ 1069 ff. BGB nicht ein anderes ergibt. Diese Gestaltungsvariante ist immer dann ausgeschlossen, wenn der erstversterbende Ehegatte ein Kind als Alleinerbe einsetzt, weil dann keine "Erbteile" entstehen.

Gleich der Übertragung eines Erbteils ist auch seine Belastung mit einem Nießbrauchsrecht gemäß § 2033 BGB notariell zu beurkunden. Dem Nießbrauchnehmer steht der Reinerlös zu, der aus dem gesamten Nachlass gezogen worden ist und auf den belasteten Erbteil entfällt.[58]

Über seine gesamthänderisch gebundene Beteiligung an den einzelnen Nachlassgegenständen kann der Miterbe nicht verfügen. Dies ergibt sich aus § 2033 Abs. 2 BGB. Über seinen Erbteil im Ganzen kann der Erbe jedoch jederzeit verfügen. Zudem kann der Erbteil gepfändet werden. All dies hat keinerlei Auswirkungen auf den Nießbrauch am Erbteil.

Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft kann nur vom Erben und Nießbrauchnehmer gemeinsam durchgeführt werden, was sich aus der Verweisung in § 1068 Abs. 2 BGB auf § 1066 BGB ergibt. Nach erfolgter Erbauseinandersetzung steht dem Nießbrauchnehmer der Nießbrauch an den Gegenständen zu, die an die Stelle des Erbteils getreten sind (§§ 1068 Abs. 2, 1066 Abs. 3 BGB). Umstritten ist hierbei die Frage, ob eine dingliche Surrogation eintritt[59] oder lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch auf Nießbrauchsbestellung entsteht.[60]

[58] Staudinger/Frank, § 1089 Rn 29.
[59] BGHZ 52, 99.
[60] Grüneberg/Herrler, § 1066 Rn 3.

(3) Dauertestamentsvollstreckung

 

Rz. 48

Ein weiteres Gestaltungsziel des "Württembergischen Modells" ist, dass der längerlebende Ehegatte die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den gesamten Nachlass hat. Dies kann mittels einer Dauertestamentsvollstreckung erreicht werden, wobei der Längerlebende oder eine andere Vertrauensperson des Erblassers zum Testamentsvollstrecker bestimmt wird. Zudem wird damit eine rasche und nachhaltige Erfüllung des Nießbrauchsvermächtnisses abgesichert.

 

Formulierungsbeispiel

1. Auf den ersten Todesfall setze ich, (…), meine beiden Kinder aus erster Ehe A und B als Miterben zu gleichen Teilen ein.
2. Meine Ehefrau F erhält den lebenslangen Nießbrauch am gesamten Nachlass, welcher den Erben nach Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten einschließlich der Zahlung der Erbschaftsteuer verbleibt.
3. Für den Nießbrauch gelten grundsätzlich die gesetzlichen Vorschriften. In Abweichung zu den §§ 1041, 1047 BGB hat der Nießbraucher auch den außerordentlichen Erhaltungsaufwand sowie außerordentliche öffentliche Lasten zu tragen.
4. Sofern sich Immobilien im Nachlass befinden, ist der Nießbrauch durch Eintragung im Grundbuch an nächstoffener Rangstelle zu sichern.
5. Die Kosten der Vermächtniserfüllung gehen zu Lasten der Erben.
6. Im Wege des Vermächtnisses zugunsten des länger lebenden Ehegatten wird zudem ein Auseinandersetzungsverbot angeordnet. Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ist bis zum Tod des länger lebenden Ehegatten nur mit dessen Zustimmung zulässig.
7.

Es wird hiermit Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. Zunächst hat der Testaments...

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