Florian Enzensberger, Maximilian Maar
I. Gleichbehandlung aller Kinder
Rz. 7
Zur Verwirklichung dieses Gestaltungsziels bietet sich die sog. "Einheitslösung" in Form eines Berliner Testaments an. Das heißt, dass alle Abkömmlinge, gleich ob einseitig oder gemeinschaftlich, auf den Schlusserbfall zu gleichen Teilen eingesetzt werden.
Formulierungsbeispiel
Wir setzten uns gegenseitig zum alleinigen Vollerben unseres gesamten Vermögens ein. Eine Nacherbfolge findet nicht statt.
Schlusserben nach dem Tod des Längerlebenden werden unsere einseitigen und gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Teilen. Jedes Kind erhält den gleichen Anteil nach Kopfteilen, gleich ob es sich um ein einseitiges Kind des Zweitversterbenden oder ein gemeinschaftliches Kind handelt.
Zu Ersatzerben bestimmen wir die Abkömmlinge unserer Kinder nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolgeordnung, wiederum ersatzweise tritt, zunächst innerhalb eines Stammes, Anwachsung ein.
Dies gilt ausdrücklich auch für den Fall, dass wir gleichzeitig oder innerhalb eines Monats aufgrund derselben Ursache versterben.
1. Problem der Pflichtteilsberechtigung einseitiger Abkömmlinge
Rz. 8
Zu beachten gilt es hierbei freilich, dass Kinder, die nur von einem Ehegatten abstammen, nur bei dessen Tod pflichtteilsberechtigt sind.
Beispiel
Ehemann A und Ehefrau B sind in zweiter Ehe miteinander im gesetzlichen Güterstand verheiratet. A hat aus erster Ehe drei Kinder C, D und E mitgebracht. B bringt ein Kind F mit in die Ehe. Im Rahmen eines Berliner Testaments setzen sich die Ehegatten auf den ersten Todesfall gegenseitig zu Alleinerben ein, um sich wechselseitig abzusichern. Schlusserben nach dem Zweitversterbenden sollen die vier Kinder C, D, E und F zu je ¼ werden. Gemeinsame Kinder sind nicht vorhanden.
Die Rechtsfolgen bei Vorversterben des A stellen sich wie folgt dar:
Alleinerbe wird die B. Die Kinder des A können ihren Pflichtteil in Höhe von je 1/12 beanspruchen. Dies stellt natürlich eine erhebliche Gefährdung des Gestaltungsziels dar, wonach der überlebende Ehegatte abgesichert werden soll.
Nach dem Tod der länger lebenden B werden die vier Kinder Miterben zu je ¼. Pflichtteilsberechtigt wäre auf den zweiten Todesfall nur das Kind F. Die Pflichtteilsquote beläuft sich auf ½. Damit käme § 2306 BGB zur Anwendung. Dem pflichtteilsberechtigten Erben steht generell das Wahlrecht zu, den beschwerten Erbteil anzunehmen oder auszuschlagen, um den Pflichtteil zu verlangen.
Praxishinweis
Bei der Anordnung zu kleiner Erbteile, verbunden mit Beschränkungen und Beschwerungen, ist die Gefahr einer Ausschlagung umso größer, je geringer der hinterlassene Erbteil ist. Gerade bei der Errichtung von Testamenten oder Erbverträgen im Rahmen von Patchworkfamilien sollte der Berater diese Vorschrift immer im Blickfeld behalten!
Außerdem kann F einen Pflichtteilsrestanspruch gem. § 2305 BGB gegenüber den übrigen Erben geltend machen, da die F als Mindestteilhabe am Nachlass der Mutter B wenigstens ihren Pflichtteil von ½ erhalten muss. Tatsächlich kann die F somit von C, D und E neben ihrem Erbteil von ¼ noch zusätzlich ¼ des Nachlasswertes in Geld verlangen, da es sich bei dem Pflichtteilsanspruch um einen reinen schuldrechtlichen Geldanspruch handelt.
Zusammenfassend lässt sich also in dem Beispielfall festhalten, dass die eingetretene Nachlassverteilung deutlich von dem eigentlich angestrebten Ergebnis abweicht. F erhält die Hälfte des Nachlasses, wohingegen C, D und E jeweils nur 1/6 erhalten.
a) Lösungsvariante: Pflichtteilsverzicht
Rz. 9
Um im obigen Beispielfall das unerwünschte Ergebnis zu vermeiden, wäre es möglich, mit den Abkömmlingen jeweils einen notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrag (§§ 2346 Abs. 2, 2348 BGB) abzuschließen. Selbstverständlich eignet sich diese Variante nur, wenn sich alle Kinder zum Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrags bereit erklären. Im Gegenzug wollen diese häufig eine Absicherung dahingehend haben, dass sie auf den Schlusserbfall auch tatsächlich als Erben eingesetzt werden. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass der ursprüngliche Nachlassverteilungsplan nochmals abgeändert wird und das Kind aufgrund des erklärten Verzichts leer ausgeht. Diese Absicherung kann erreicht werden, indem die Ehegatten auf eine nachträgliche Änderung des Verteilungsplans verzichten bzw. eine solche Änderung nur bei Mitwirkung und Zustimmung der Endbedachten erfolgen kann (siehe Rdn 30 ff.).
Eine weitere Alternative der Absicherung des Endbedachten besteht darin, den Pflichtteilsverzicht unter die auflösende Bedingung zu stellen, dass er bei nachträglicher Änderung der Nachlassverteilung zum Nachteil des Endbedachten seine Wirkung verliert. Bei Eintritt der auflösenden Bedingung entsteht der Pflichtteilsanspruch rückwirkend auf den Zeitpunkt des ersten Erbfalls. Um eine mögliche Verjährung des Anspruchs zu verhindern (die Dreijahresfrist des § 2332 BGB könnte bereits abgelaufen sein!) sollte darauf geachtet werden, dass die Ehegatten jeweils auf die Einrede der Verjährung verzichten.
Formulierungsbeispiel (Pflichtteilsverzicht unter auflösender Bedingung mit Verzicht auf die Einrede der Verjährung)
Der (…) (Verzichtende) verzichtet mit Wirkun...