Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 57
Unter Katastrophenklausel versteht man eine Regelung für den Fall des gleichzeitigen Versterbens beider Ehegatten. Gleichzeitiges Versterben bedeutet an sich im gleichen Augenblick. In den Fällen, in denen nicht bewiesen werden kann, welcher der beiden Ehegatten zuerst verstorben ist, wird gem. § 11 VerschG vermutet, dass sie gleichzeitig verstorben sind. Versterben die Eheleute tatsächlich gleichzeitig oder wird dies gem. § 11 VerschG vermutet, wird nach Ansicht der Rechtsprechung eine gegenseitige Erbeinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament als gegenstandslos angesehen. Die Konsequenz hieraus ist, dass jeder Ehegatte von seinen gesetzlichen oder testamentarischen Erben beerbt wird.
Haben die Eheleute in einer gemeinschaftlichen Ehegattenverfügung (§§ 2269, 2280 BGB) Bestimmungen auf das Ableben des Längstlebenden getroffen, so finden diese Verfügungen bezüglich jedes von ihnen auch bei ihrem gleichzeitigen Versterben Anwendung. Eine vorherrschende Meinung sieht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Schlusserbeneinsetzung auch eine Ersatzberufung.
Praxishinweis
Hier empfiehlt sich eine klare und unmissverständliche Formulierung. Dies gilt umso mehr bei Testamenten in Patchworkfamilien, wenn nur Kinder aus ersten Ehen vorhanden sind. Gerade dann sollte detailliert geklärt werden, welchen Kindern welche Vermögensbestandteile nach welchem Ehegatten zufallen sollen.
Formulierungsbeispiel (Katstrophenklausel bei Einheitslösung, Schlusserbeneinsetzung)
Für den Fall, dass wir beide gleichzeitig oder kurz hintereinander aus gleichem Anlass versterben sollten, wird jeder von uns entsprechend der Schlusserbeneinsetzung für den zweiten Todesfall mit allen dort angeordneten Vermächtnissen, Auflagen und der Testamentsvollstreckung beerbt.
Formulierungsbeispiel (Katstrophenklausel bei Trennungslösung, Nacherbfolge)
Für den Fall, dass wir beide gleichzeitig oder kurz hintereinander aus gleichem Anlass versterben sollten, wird jeder von uns entsprechend der Nacherbfolge für den ersten Todesfall mit allen dort angeordneten Vermächtnissen, Auflagen und der angeordneten Testamentsvollstreckung beerbt.
Der Begriff "gleichzeitiges Versterben" ist auslegungsfähig in dem Sinne, dass er auch Fälle eines kurzzeitigen Versterbens nacheinander umfassen kann. Das OLG Hamm hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 2011 festgehalten, dass die für den Fall des "gleichzeitigen Ablebens" in einem privatschriftlichen Ehegattentestament getroffene Erbeinsetzung nicht ohne weitere Anhaltspunkte dahin ausgelegt werden kann, dass sie sich auf den Fall des in zeitlich größerem Abstand aufeinander folgenden Versterbens der Ehegatten bezieht. Das OLG Brandenburg hat im Januar 2019 in zwei Entscheidungen u.a. auf Folgendes hingewiesen: Bei der Auslegung eines Testaments sind auch Umstände außerhalb des Testamentswortlauts, wie das gesamte Verhalten des Erblassers, seine Äußerungen und Handlungen auch nach der Testamentserrichtung heranzuziehen. Mit Blick auf die Formerfordernisse des § 2247 BGB müssen sich jedoch für den entsprechenden Willen des Erblassers in der letztwilligen Verfügung Anhaltspunkte finden lassen. Die Formulierung "gemeinsamer Tod" lässt sich nach allgemeinem Sprachgebrauch auch dahingehend auslegen, dass beide Testierende verstorben sind, ohne dass der Tod beider in engem zeitlichen Zusammenhang eingetreten sein muss.
Das OLG Düsseldorf hat in einer Entscheidung vom 28.4.2021 Folgendes festgestellt: Formulierungen, die auf das beiderseitige Versterben abstellen, erscheinen im Allgemeinen als zeitlich neutral. Sie können unter Würdigung des gesamten Testamentsinhalts sowie der Beweggründe und Begleitumstände so auszulegen sein, dass sie auch das Versterben beider Eheleute ohne Rücksicht auf den zeitlichen Abstand erfassen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Formulierung "im Falle eines gemeinsamen Ablebens". Diese Formulierung kann ebenso im Sinne von "wenn wir beide verstorben sind" verstanden werden. Anders als das Adjektiv "gleichzeitig" enthält "gemeinsam" keine zeitliche Komponente. Nach allgemeinem Sprachverständnis hat "gemeinsam" vielmehr die Bedeutung von "zusammen", "miteinander" oder "gemeinschaftlich". Gemeint sein kann daher auch der "gemeinsame" Zustand nach dem Versterben beider Ehegatten.
Um an dieser Stelle Auslegungsstreitigkeiten zu vermeiden, sollte eine exakte Formulierung gewählt werden.
Formulierungsbeispiel
Für den Fall, dass wir gleichzeitig oder binnen eines Monats hintereinander aufgrund derselben Ursache versterben (…)
Rz. 58
Nach § 2096 BGB kann der Erblasser sowohl für den Fall, dass der von ihm eingesetzte Erbe vor als auch nach Eintritt des Erbfalls wegfällt, einen Ersatzerben einsetzen. Die Norm des § 2096 BGB bezieht sich jedoch, für den Fall, dass der ursprünglich vorgesehene Erbe erst nach dem Erbfall wegfällt, lediglich auf Fälle, die auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückbezogen werden. Dies sind die Fälle der Ausschlagung (§ 1953 BGB), des Erbverzichts (§§ 234...