Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 82
Bei Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall erwirbt der Begünstigte mit Eintritt des Erbfalls einen direkten Leistungsanspruch gegen den Versprechenden. Bei Lebensversicherungen ist der Versprechende das Versicherungsunternehmen, bei Sparkonten zugunsten Dritter auf den Todesfall die Bank.
Im Rahmen dieser Gestaltungen drängen sich gerade im Hinblick auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch eine Reihe von Fragen auf:
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Was wird zur Berechnung des Pflichtteilsanspruchs herangezogen, die eingezahlten Prämien oder die Versicherungssumme? |
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Unterfallen derartige Zuwendungen dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch oder dem Pflichtteilsergänzungsanspruch? |
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Wann beginnt die Zehnjahresfrist des § 2325 BGB zu laufen? |
Bei einem Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall (§§ 328, 331 BGB) wird dem Berechtigten mit dem Tod des Versprechensempfängers ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Versprechenden (Bank, Versicherungsgesellschaft) zugewandt. Dies gilt auch dann, wenn im Zuwendungsverhältnis (Valutaverhältnis) zwischen Erblasser und dem Begünstigten eine Schenkung auf den Todesfall vorliegt. Folglich liegt kein Erwerb aus dem Nachlass vor, sondern ein Erwerb unmittelbar aus dem Vertrag zugunsten Dritter. Eine derartige Zuwendung unterliegt grundsätzlich dem Pflichtteilsergänzungsanspruch und nicht dem ordentlichen Pflichtteil.
Von einem fehlerhaften Valutaverhältnis spricht man, wenn zwischen Erblasser und Bezugsberechtigtem kein wirksamer Rechtsgrund dafür geschaffen worden ist, aufgrund dessen dieser die an ihn direkt auszubezahlende Versicherungssumme behalten darf. Als Folge hieraus hat der Bezugsberechtigte die Versicherungssumme nach § 812 Abs. 1 BGB herauszugeben, da er ungerechtfertigt bereichert ist.
Praxishinweis
In den Versicherungsverträgen wird regelmäßig vereinbart, dass der Versicherer nach dem Tod des Versicherungsnehmers dem Bezugsberechtigten ein Angebot auf Abschluss eines Schenkungsvertrages machen soll.
Bis zum Zugang dieses Angebots können es die Erben allerdings noch widerrufen und damit das Entstehen eines wirksamen Rechtsgrundes im Valutaverhältnis endgültig verhindern.
Um einen solchen Widerruf des Schenkungsangebots zu vermeiden, kann im Versicherungsvertrag der Ausschluss des Widerrufsrechtes von vorneherein vereinbart werden.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung ein Vermächtnis zugunsten des Bezugsberechtigten aussetzt, wonach die Erben verpflichtet sind, einen Widerruf des Schenkungsangebotes zu unterlassen.
Ausnahmsweise kann die Zuwendung jedoch in den Nachlass fallen, wenn keine wirksame Benennung eines Bezugsberechtigten vorliegt oder der Erblasser sich selbst als Bezugsberechtigten benannt hat, da dann die Forderung mangels eines besonderen Berechtigten den Erben als Nachlassbestandteil zusteht.
Praxishinweis
Gerade bei Geschiedenen oder in Patchworkehen soll der Betrag aus einer Lebensversicherung häufig den Kindern aus der ersten, gescheiterten Beziehung zukommen. Sind diese noch minderjährig wird in der Regel eine Verwaltungsvollstreckung angeordnet, um den geschiedenen Ex-Partner vom Vermögen fernzuhalten.
In solchen Fällen ist besondere Vorsicht geboten, denn die Testamentsvollstreckung erfasst nicht Vermögensbestandteile, die beim Erbfall am Nachlass vorbei direkt auf den Bezugsberechtigten übergegangen sind.
Will der Erblasser auch die Versicherungssumme der Testamentsvollstreckung unterwerfen, muss er die Bezugsberechtigung widerrufen und sich selbst zum alleinigen Bezugsberechtigten benennen, auch auf den Todesfall.
Ferner fällt die Zuwendung dann in den Nachlass, wenn sie als Sicherungsgut verwendet wird. Für diese Fälle ist die Zuwendung in voller Höhe für die Pflichtteilsberechnung heranzuziehen. Dies gilt auch dann, wenn formal ein anderer Bezugsberechtigter existiert.
Beispiel
Der Erblasser A hat seine Ehefrau B als Bezugsberechtigte in einem Versicherungsvertrag benannt. Zur Absicherung eines Darlehens tritt er die Ansprüche aus der Lebensversicherung an die Bank ab und widerruft für die Dauer der Sicherungsabtretung die Bezugsberechtigung. Nach dem Ableben des A greift die Bank auf die Lebensversicherung zu und gleicht damit die noch offen stehende Darlehensschuld aus. Das Kind C des Erblassers macht nunmehr Pflichtteilsansprüche gegen die Alleinerbin B geltend, wobei C die Lebensversicherungssumme in voller Höhe bei der Berechnung seiner Ansprüche heranzieht.
Lösung
Die Lebensversicherungssumme ist dem Nachlass in der Höhe der tatsächlich noch abgesicherten Darlehensschuld zuzurechnen. Der Anteil der Versicherungssumme, der als Sicherheit nicht mehr benötigt wird, fällt der B als Bezugsberechtigten neben dem Nachlass an.
Rz. 83
Ob Zuwendungen aus Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall, insbesondere Lebensversicherungssummen, im Übrigen zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen führen, hängt davon ab, welcher Rechtsgrund im Valutaverhältnis zwischen Erblasser und Bezugsber...