Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 63
Die durch das Pflichtteilsrecht verankerte Mindestbeteiligung am Nachlass ist grundsätzlich nicht entziehbar und stört regelmäßig die Nachlassplanung gerade auch bei Testamenten in Patchworkfamilien. Nicht selten ist es der Wunsch eines Elternteils, die Kinder aus der gescheiterten Beziehung auf den ersten Todesfall oder gänzlich vom Nachlass fernzuhalten.
Das wirksamste Mittel diese Störquelle zu eliminieren ist freilich ein notarieller Pflichtteilsverzicht, der jedoch von den Abkömmlingen nicht immer oder nur gegen Zahlung entsprechender Abfindungen unterschrieben wird (eingehend hierzu siehe Rdn 9).
In einer Verfügung von Todes wegen kommen die Pflichtteilsstrafklausel und die Jastrowsche Klausel als Vermeidungsstrategien in Betracht (eingehend hierzu siehe Rdn 11 und 16).
I. Pflichtteilsentziehung
Rz. 64
Als weitere Möglichkeit auf den Pflichtteil in der Verfügung von Todes wegen einzuwirken steht die Pflichtteilsentziehung zur Verfügung, die in § 2333 BGB geregelt ist.
Die Pflichtteilsentziehungsgründe sind für alle Pflichtteilsberechtigten einheitlich in § 2333 BGB geregelt. Nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB kann dem Pflichtteilsberechtigten der Pflichtteil wirksam entzogen werden, wenn dieser wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr ohne Bewährung verurteilt wurde. Als zusätzliches Tatbestandsmerkmal muss allerdings hinzukommen, dass die Teilhabe des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist.
Das Gesetz verlangt das Vorliegen eines der in § 2333 BGB abschließend angeführten Entziehungsgründe. Die aufgezählten Gründe sind nicht analogiefähig.
Auch sind die formalen Voraussetzungen für eine wirksame Entziehung nur sehr schwer zu erfüllen. Notwendig ist die Wiedergabe eines "konkreten Kernsachverhalts" in der Verfügung von Todes wegen. Eine lediglich abstrakte Darstellung der Entziehungsgründe ist nicht ausreichend. Durch das Verlangen einer konkreten Sachverhaltsdarstellung soll verhindert werden, dass die Erben nach dem Tod des Erblassers weitere Entziehungsgründe nachschieben.
Rz. 65
Der Grund der Entziehung muss in der Verfügung von Todes wegen angegeben werden. Dabei müssen sich bei der Pflichtteilsentziehung wegen einer Straftat auch die Gründe der Unzumutbarkeit für die Teilhabe am Nachlass aus der letztwilligen Verfügung ergeben. Welche Anforderungen an die Darlegung der Gründe für die Unzumutbarkeit zu stellen sind, richtet sich nach dem Einzelfall, wobei regelmäßig die Schwere der Tat eine Rolle spielt. Je gravierender die Tat, desto eher wird sich die Unzumutbarkeit bereits aus der Tatbegehung ergeben und desto geringer werden die Anforderungen an die Darlegung der Gründe der Unzumutbarkeit sein. Dass damit auch subjektive Kriterien in der Verfügung von Todes wegen anzuführen sind, führt zu einer schwer zu erfüllenden Voraussetzung. Vor diesem Hintergrund sollten deshalb in der Verfügung von Todes wegen ausführlich und detailliert die Umstände vorgetragen werden, die es für den Erblasser unzumutbar erscheinen lassen, den Pflichtteilsberechtigten am Nachlass zu beteiligen.
Das OLG Saarbrücken hat sich ausführlich mit den Voraussetzungen einer Pflichtteilsentziehung auseinandergesetzt. Lesenswert sind auch die Anmerkungen von Litzenburger zu der Entscheidung.
Das OLG Oldenburg hat in einer jüngeren Entscheidung folgende grundlegenden Aussagen zu einer Pflichtteilsentziehung gemacht: Für die Entziehung des Pflichtteils wegen einer Straftat spielt es keine Rolle, ob der Pflichtteilsberechtigte von seinem Verhalten bzw. Lebenswandel abrückt. Es reicht daher auch eine Jahrzehnte zurückliegende Tat. Für die erforderliche Darlegung des Entziehungsgrundes in der letztwilligen Verfügung genügt die Angabe eines Sachverhaltskerns. Die Anforderungen an die Konkretisierung dürfen nicht überspannt werden. Hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass für den Erblasser besteht eine Art Wechselwirkung zwischen der Schwere der Tat und der Unzumutbarkeit. Je schwerer die Straftat, desto knapper kann die Darstellung ausfallen.
Die Pflichtteilsentziehung spielt in der täglichen Praxis nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Aus diesem Grund soll dieses Thema auch an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden.
II. Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht
Rz. 66
Gemäß § 2338 BGB ist eine Pflichtteilsbeschränkung möglich, wenn sich ein Abkömmling in solchem Maße der Verschwendung ergeben hat oder in einem solchem Maße überschuldet ist, dass sein späterer Erwerb des Nachlasses erheblich gefährdet erscheint.
Das Gestaltungsziel des § 2338 BGB ist ...