Rz. 54
Hier sind lückenlos alle bisherigen erbrechtlichen Verfügungen aufzuführen, auch alle in der Vergangenheit zurückliegenden Verfügungen. Dies, um zum einen die Testierfreiheit des Testators und zum anderen den maßgeblichen letzten Willen des Erblassers feststellen zu können. Dies gilt selbst dann, wenn der Mandant bzw. derjenige, der ein Testament errichten will, davon ausgeht, dass die Verfügungen bereits durch ein jüngeres Testament aufgehoben oder ersetzt worden sind. Im Übrigen kann sich aus einem früheren Testament oder Erbvertrag auch ergeben, dass der Erblasser in seiner Testierfreiheit eingeschränkt ist, so dass jüngere Verfügungen nicht wirksam werden können.
Rz. 55
Hat der Mandant beispielsweise bereits ein gemeinschaftliches Testament errichtet, welches wechselbezüglich und bindend ist, so ist vor der Errichtung einer neuen Verfügung von Todes wegen dieses einseitig durch notariellen Widerruf oder gemeinsam durch ein gemeinschaftliches Aufhebungstestament zu beseitigen. Der notarielle Widerruf muss dem anderen Ehegatten zugestellt werden. Hierbei ist zu beachten, dass diesem eine Ausfertigung zugehen muss. Der Zugang einer beglaubigten Abschrift ist nicht ausreichend. Ein zwischen den Ehegatten geschlossener Erbvertrag kann ebenfalls durch die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments aufgehoben werden, § 2292 BGB. Wurde im Rahmen eines Erbvertrags ein Vermächtnis oder eine Auflage angeordnet, können diese vertragsmäßig getroffenen Verfügungen durch den Erblasser durch Testament aufgehoben werden, sofern der Vertragspartner seine Zustimmung in notarieller Form erklärt (§ 2291 BGB).
Rz. 56
In der Bindungswirkung unterscheidet sich das gemeinschaftliche Testament von Ehegatten in der Bindungswirkung vom Erbvertrag dahingehend, dass der Erblasser beim Erbvertrag an seine vertragsmäßige Verfügung endgültig gebunden ist, es sei denn, er hat sich den Rücktritt vom Erbvertrag vorbehalten. Beim gemeinschaftlichen Testament hingegen kann jeder Ehegatte seine wechselbezüglichen Verfügungen zu Lebzeiten des anderen Ehegatten widerrufen.
Rz. 57
Hat sich der Mandant bereits in einem Erbvertrag gebunden, so kann dieser in der Regel nicht mehr einseitig aufgehoben werden. Gleiches gilt für den Fall, dass bei einem bindenden gemeinschaftlichen Testament der erste Todesfall bereits eingetreten ist. Sieht der Erbvertrag oder das gemeinschaftliche Testament allerdings einen Änderungsvorbehalt vor, so ist eine Verfügungsmöglichkeit innerhalb des Änderungsvorbehalts möglich. Im Rahmen der Testamentsgestaltung sollten die Möglichkeiten eines Änderungsvorbehaltes in jedem Falle erörtert werden.
Rz. 58
Ist die Möglichkeit einer Anfechtung (§§ 2078, 2079 BGB) gegeben, dann kann die Verfügungsfreiheit durch Geltendmachung des Anfechtungsrechts wiedererlangt werden. Zu Lebzeiten kann der Erblasser ein einseitiges Testament nicht anfechten, da er es jederzeit widerrufen kann.
Rz. 59
Hat ein Erblasser mehrere Testamente hinterlassen, ohne jeweils das vorangehende aufzuheben, so besteht die Schwierigkeit, den letzten endgültigen Willen zu ermitteln. Im Einzelnen sind hier die §§ 2253 ff. BGB zu berücksichtigen. Es liegt auf der Hand, dass hierbei vorab die einzelnen Verfügungen mit ihrem jeweiligen Inhalt in einer zeitlichen Reihenfolge aufgelistet werden sollten. Dies insbesondere im Hinblick auf § 2258 BGB, wonach ein früheres Testament insoweit aufgehoben wird, als es dem späteren widerspricht.