a) Allgemeines
Rz. 234
Unter einem Vermächtnis versteht man die Zuwendung eines Vermögensvorteils im Gegensatz zur Erbeinsetzung in der Weise, dass der Vermächtnisnehmer nicht in die Rechtsstellung des Erblassers, d.h. in alle Rechte und Pflichten (Von-Selbst-Erwerb) einrückt, sondern lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber dem/den Beschwerten auf Übertragung des Zugewandten erhält. Beschwert werden kann sowohl der Erbe als auch ein Vermächtnisnehmer (§ 2147 S. 1 BGB). Miterben sind im Zweifel als Gesamtschuldner beschwert und haften demgemäß sowohl mit dem Nachlass als auch mit dem Privatvermögen, wobei die Haftung auf den Nachlass beschränkt werden kann. Da die bedachte Person nicht Mitglied der Erbengemeinschaft wird, können hierdurch Konflikte innerhalb der Erbengemeinschaft vermieden werden. Vermächtnisnehmer kann jede natürliche oder juristische Person sein. Das Vermächtnis fällt in der Regel mit dem Erbfall an, kann jedoch durch aufschiebende Bedingung bzw. Befristung auch auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben werden (§ 2177 BGB). In der Zwischenzeit besteht zugunsten des Bedachten ein Anwartschaftsrecht.
Zu Lebzeiten des Erblassers steht dem Bedachten jedoch lediglich eine Erwerbsaussicht zu, nicht hingegen eine gesicherte Anwartschaft oder ein bedingter Anspruch.
Rz. 235
Die Übertragung der Zuwendung erfolgt durch ein selbstständiges Erfüllungsgeschäft unter Lebenden. Der Inhalt dieses Erfüllungsgeschäftes richtet sich nach der Art des vermachten Gegenstands. Handelt es sich um eine bewegliche Sache, ist Einigung und Übergabe, bei Grundstücken Auflassung und Eintragung im Grundbuch erforderlich. Eine Forderung ist abzutreten.
Rz. 236
Hinweis
Da nach dem Eintritt des Erbfalls in den meisten Fällen bis zur Erteilung des Erbscheins einige Monate vergehen, bietet es sich an, die Fälligkeit der Vermächtnisse zinslos auf drei bis sechs Monate hinauszuschieben.
Rz. 237
Sollte sich der im Wege des Vermächtnisses zugewandte Gegenstand nicht mehr im Nachlass befinden, stellt sich zwangsläufig die Frage, welche Rechtsposition der Vermächtnisnehmer haben soll. In diesem Falle kann im Wege ergänzender Testamentsauslegung der letztwilligen Verfügung u.U. der Erblasserwille entnommen werden, dass der Vermächtnisnehmer das sich noch im Nachlass befindliche Surrogat (Kaufpreis, Ersatzimmobilie) erhalten soll. Um Streitfragen zu vermeiden, sollte das Problem der Surrogation in jedem Falle geregelt werden. In den Fällen, in denen das Vermächtnis nach Eintritt des Erbfalls in Wegfall gerät, der Anspruch jedoch bereits entstanden ist, gilt die Vorschrift des § 280 Abs. 1 BGB.
Rz. 238
Mit dem Anfall des Vermächtnisses erwirbt der Vermächtnisnehmer einen Anspruch gegen den/die beschwerten Erben, die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern. Grundsätzlich fällt das Vermächtnis mit dem Erbfall an (§ 2176 BGB), es sei denn, es handelt sich um ein aufschiebend bedingtes oder befristetes Vermächtnis. Dieses fällt dann erst mit Eintritt der Bedingung oder des Termins an. Handelt es sich um ein Grundstücksvermächtnis, ist vor dem Anfall desselben eine dingliche Sicherung durch Eintragung einer Vormerkung nicht möglich, da zugunsten des Bedachten kein Anwartschaftsrecht besteht. Er hat lediglich die Hoffnung, etwas zu erhalten. Lediglich der Anfall ist grundsätzlich vormerkungsfähig. Dies gilt jedoch nur dann, wenn es sich um einen Anspruch auf dingliche Rechtsänderung an Grundstücken handelt.
Rz. 239
Der Anfall des Vermächtnisses ist jedoch von der Fälligkeit desselben zu unterscheiden. Hat der Erblasser nichts anderes bestimmt, ist das Vermächtnis mit dem Anfall auch fällig. Der Erblasser hat aber die Möglichkeit, die Zeit der Erfüllung in das Belieben des Beschwerten zu stellen. Gemäß § 2181 BGB tritt Fälligkeit dann im Zweifel mit dem Tod des Beschwerten ein.
Rz. 240
In den Fällen, in denen der Zeitpunkt des Anfalls und der Fälligkeit auseinanderfallen, sollte eine Regelung dahin gehend getroffen werden, ob der Vermächtnisnehmer nach Anfall des Vermächtnisses Anspruch auf dingliche Sicherung, z.B. durch Eintragung einer Auflassungsvormerkung, verlangen kann. Dieser Anspruch ist vormerkungsfähig, der Vermächtnisnehmer hat einen solchen Anspruch jedoch nur, wenn er mitvermacht ist.
Rz. 241
Da der Beschwerte häufig nur widerwillig bereit ist, das angeordnete Vermächtnis zu erfüllen, besteht die Möglichkeit, dem Vermächtnisnehmer in der Verfügung von Todes wegen Vollmacht dahin gehend zu erteilen, dass er sich den Gegenstand selbst übertragen kann. Des Weiteren kann Testamentsvollstreckung angeordnet und der Vermächtnisnehmer zum Testamentsvollstrecker bestimmt werden. Ausschließliche Aufgabe des Testamentsvollstreckers ist die Erfüllung des Vermächtnisses. Ein Verstoß gegen § 181 BGB liegt hierbei nicht vor, da es sich lediglich um die Erfüllung einer Verbindlichkeit handelt. Eine besondere Befreiung von § 181 BGB ist daher nicht erforderlich. Im Testamentsvollstreckerzeugnis ist die Beschränkung anzuge...