Rz. 411
Bei der Vollerbenlösung setzen die Ehegatten sich für den ersten Todesfall gegenseitig zu alleinigen Vollerben ein. Dies hat zur Folge, dass das Vermögen des Erstversterbenden in das Vermögen des Überlebenden übergeht und zu einer einheitlichen Vermögensmasse führt. In der Verfügung für den zweiten Todesfall sollte dann bestimmt werden, was nach dem Tod des Überlebenden damit geschehen, bzw. an wen das einheitliche Vermögen fließen soll (vgl. Muster zum Gemeinschaftlichen Testament "Berliner Testament" Rdn 488). Die Schlusserbenregelung muss nicht explizit angeordnet sein. Sie kann sich auch durch Auslegung ergeben. So hat beispielsweise die Rechtsprechung angenommen, dass eine Anordnung dahingehend, dass dasjenige Kind, welches beim ersten Todesfall seinen Pflichtteil fordert, auch beim zweiten Todesfall nur den Pflichtteil erhält, als Schlusserbeneinsetzung gesehen werden kann. Allerdings ist zu empfehlen, eine ausdrückliche Bestimmung aufzunehmen.
Rz. 412
Nach der Auslegungsregelung des § 2269 Abs. 1 BGB wird "im Zweifel" von einer Vollerbeneinsetzung des Überlebenden ausgegangen, wenn die Ehegatten sich in ihrem Testament gegenseitig als Erben eingesetzt und bestimmt haben, dass nach dem Tod des Überlebenden der Nachlass an einen Dritten fallen soll. Eine exakte Formulierung im Testament ist jedoch anzuraten, da es gerade in diesem Bereich zu unterschiedlichen Auslegungen kommen kann.
Um Streitigkeiten zu vermeiden, sollte eine exakte Formulierung wie die Einsetzung zum Alleinerben als Vollerben gewählt werden.
Rz. 413
Des Weiteren ist zu beachten, dass bei der Verfügung für den ersten Todesfall der Testierende alle testamentarischen Gestaltungsmittel hat, die auch beim Einzeltestament zur Verfügung stehen. Es sollte somit auch gleich bestimmt werden, ob nach dem Tod des Erstversterbenden zusätzlich Vermächtnisse ausgesetzt werden oder ob z.B. Auflagen zu erfüllen sind.
Rz. 414
Setzen sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben ein, ist dies erbschaftsteuerlich ungünstig, da den Abkömmlingen die Ausnutzung der Freibeträge nach dem erstversterbenden Elternteil genommen wird. Bei größeren Vermögen besteht daher die Möglichkeit, Vermächtnisse zugunsten der Kinder in Höhe des steuerlichen Freibetrages anzuordnen, wobei die Erfüllung in das Ermessen des Überlebenden gestellt werden kann, und zwar dadurch, dass angeordnet wird, dass das Vermächtnis für den Fall entfällt, dass Sicherheiten seitens des oder der Vermächtnisnehmer verlangt werden oder für den Fall, dass das Vermächtnis gerichtlich geltend gemacht wird. Um in diesem Zusammenhang zu vermeiden, dass Erbschaftsteuer bei den Vermächtnisnehmern anfällt, sollte mit geregelt werden, dass Zuwendungen innerhalb der letzten zehn Jahre vor Eintritt des Erbfalls bei der Bemessung des Vermächtnisbetrags zu berücksichtigen sind.
Im Sinne einer sicheren Gestaltung sollte der Zeitpunkt der Erfüllung des Vermächtnisses und somit der Fälligkeitszeitpunkt nicht in das Belieben des überlebenden Ehegatten gestellt werden. Es sollte in jedem Falle ein nach dem Kalender bestimmbarer Zeitpunkt oder eine bestimmte Frist festgelegt werden. Dies dürfte in der Regel auch kein Problem darstellen, da es der überlebende Ehegatte letztendlich in der Hand hat, in welcher Höhe das Vermächtnis erfüllt wird, so dass insoweit die Gefahr mangelnder Liquidität nicht bestehen dürfte.
Rz. 415
Hinweis
Häufig wurde geregelt, dass derartige Steuervermächtnisse bereits beim ersten Todesfall anfallen, die Fälligkeit jedoch auf den Tod des überlebenden Ehegatten hinausgeschoben wird. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls auf § 6 Abs. 4 ErbStG hinzuweisen. Von dieser Vorschrift werden auch auf den Tod des überlebenden Ehegatten fällige Vermächtnisse erfasst. Dies bedeutet, dass das Vermächtnis als Erwerb vom überlebenden Ehegatten zu versteuern ist. Die Freibeträge auf Ableben des Erstversterbenden können daher nicht mehr ausgenutzt werden. Von einer Gestaltung dahingehend, dass die Fälligkeit des Vermächtnisses bis zum Tod des überlebenden Ehegatten hinausgeschoben wird, ist daher abzuraten.
Rz. 416
Zur Ausnutzung der erbschaftsteuerlichen Freibeträge kann auch ein Zweckvermächtnis angeordnet werden, wonach dem überlebenden Ehegatten erlaubt wird, sowohl den Gegenstand des Vermächtnisses als auch den Zeitpunkt der Erfüllung und auch den Begünstigten aus dem Kreis der Schlusserben zu bestimmen. Allerdings darf auch hier der Fälligkeitszeitpunkt nicht in das Belieben des überlebenden Ehegatten gestellt werden. Vielmehr ist in jedem Fall ein nach dem Kalender bestimmbarer Auffangtermin zu bestimmen.