Rz. 455
Bei der Einheitslösung kommt es durch die gegenseitige Vollerbeneinsetzung der Ehegatten regelmäßig zu einer Enterbung der Abkömmlinge nach dem Tod des Erstversterbenden. Die Abkömmlinge, die bei der Einheitslösung zu Schlusserben nach dem Tod des Längstlebenden berufen sind, können, ohne einen Erbteil ausschlagen zu müssen, ihren Pflichtteil verlangen. Um dem hierdurch beeinträchtigenden vorzeitigen Vermögensabfluss vorzubeugen, besteht die Möglichkeit, sog. Pflichtteilsklauseln in das Testament mit aufzunehmen (zu deren möglichem Inhalt siehe Rdn 460 ff.). Derartige Klauseln haben jedoch lediglich die Funktion der Abschreckung. Einen hundertprozentigen Schutz bieten sie hingegen nicht. Der Anspruch bzw. dessen Geltendmachung kann hierdurch nicht verhindert werden. Für den Fall, dass die Ehegatten eine hundertprozentige Absicherung wünschen, ist anzuraten, mit den Abkömmlingen einen Pflichtteilsverzichtsvertrag abzuschließen.
Rz. 456
Bei der Trennungslösung hingegen kann der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil nur verlangen, wenn er die Nacherbschaft ausschlägt. Die Ausschlagungsfrist beginnt allerdings erst mit Eintritt des Nacherbfalls zu laufen.
Rz. 457
Im Übrigen sollte sich der Erblasser bei der Formulierung der Klausel darüber Gedanken machen, welches Verhalten die Pflichtteilsklausel auslöst, d.h. ob unter der Geltendmachung des Pflichtteils bereits die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs zu verstehen ist bzw. ob ein konkretes Zahlungsverlangen gestellt werden oder ob der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil auch tatsächlich erhalten haben muss.
Rz. 458
Da die Pflichtteilsklausel dem Schutz des überlebenden Ehegatten dient, sollte diese nur ausgelöst werden, wenn der Pflichtteil gegenüber dem überlebenden Ehegatten gegen dessen Willen geltend gemacht wird. Unter Umständen kann es sinnvoll sein, den Pflichtteil auszuzahlen, z.B. zur Ausnutzung der erbschaftsteuerlichen Freibeträge.
Rz. 459
Formulierungsbeispiel, wonach unter "Geltendmachung" bereits die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs zu verstehen ist:
Muster 3.21: Geltendmachung des Pflichtteils
Muster 3.21: Geltendmachung des Pflichtteils
Muster: Geltendmachung des Pflichtteils
Macht eines unserer Kinder oder, bei dessen Vorversterben, die an seine Stelle tretenden Abkömmlinge beim Ableben des erstversterbenden Ehegatten gegenüber dem Überlebenden und gegen dessen Willen seinen Pflichtteil geltend, wobei unter "Geltendmachung" bereits die Geltendmachung von Auskunfts- und/oder Wertermittlungsansprüchen nach § 2314 BGB zu verstehen ist (es ist nicht erforderlich, dass der Pflichtteil auch tatsächlich gezahlt wird), so ist sowohl das betreffende Kind als auch sein Stamm beim Tode des Längstlebenden enterbt, d.h., alle zu dessen Gunsten getroffenen erbrechtlichen Zuwendungen (auch als Ersatzberufene), insbesondere Erbeinsetzungen und Vermächtnisse, entfallen. Es tritt dann Ersatzerbfolge ein.
Rz. 460
Eine mögliche Pflichtteilsklausel ist die, dass der Überlebende im Falle der Geltendmachung von Pflichtteilen von der Bindungswirkung befreit wird und so selbst entscheiden kann, ob er denjenigen, der den Pflichtteil geltend macht, von der Erbfolge ausschließt.
Rz. 461
Möglich ist auch eine Anrechnungsklausel, d.h. dass sich derjenige Abkömmling, der beim Tode des Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, sich diesen beim Tode des Längstlebenden auf seinen Erbteil anrechnen lassen muss. Letztlich handelt es sich hierbei um ein Vermächtnis zugunsten der anderen Schlusserben. Bei der einfachen Anrechnungsklausel ist allerdings zu berücksichtigten, dass den Schlusserben durch die Belastung mit einem solchen (Voraus)vermächtnis die Möglichkeit der Ausschlagung gemäß § 2306 Abs. 1 BGB zusteht.
Rz. 462
Eine weitere Möglichkeit ist die sog. einfache Pflichtteilsklausel. Die Ehegatten bestimmen hier, dass im Falle der Geltendmachung eines Pflichtteils der Abkömmling auch jetzt schon für den zweiten Todesfall enterbt ist.
Rz. 463
Die weiter gehende Klausel ist die sog. Jastrow’sche Klausel (Pflichtteilsstrafklausel). Bei dieser Pflichtteilsstrafklausel erhalten diejenigen Abkömmlinge, die keinen Pflichtteil geltend machen, einen zusätzlichen Vermächtnisanspruch nach dem Tod des Erstversterbenden, der mit dem Tode des Erstversterbenden anfällt, jedoch erst mit dem Tode des Längstlebenden fällig wird. Die sog. Bestrafung tritt dadurch ein, dass sich der Nachlass des Längstlebenden erheblich reduziert und somit der Pflichtteil nach dem zweiten Todesfall schmälert. Die Klausel greift allerdings nur bei Vorhandensein mehrerer pflichtteilsberechtigter Abkömmlinge. Die Vermächtnisansprüche sollten der Höhe nach auf den Nachlass beim Tode des längstlebenden Ehegatten begrenzt werden. Erfolgt dies nicht, könnte ggf. ein Schadensersatzanspruch bzw. ein Anspruch auf Sicherung durch Arrest oder einstweilige Verfügung bestehen.
Es ist allerdings zu beachten, dass bezüglich dieses gestundeten Vermächtnisses § 6 A...