Rz. 147
Von der Testierfähigkeit zu unterscheiden ist die Testierfreiheit des Erblassers. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Testierfreiheit das bestimmende Element der Erbrechtsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG). Aufgrund der Testierfreiheit ist es dem Erblasser möglich, beliebig über sein Vermögen zu verfügen. Hierdurch hat er die Möglichkeit, auch von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen. Durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ist jedoch nicht garantiert, dass der Erblasser sein vorhandenes Vermögen ungeschmälert auf Dritte übertragen kann. Zum einen wird die Testierfreiheit durch das Pflichtteilsrecht (siehe Rdn 77 ff.) eingeschränkt. Weiterhin erfolgt eine Einschränkung der Testierfreiheit durch den erbrechtlichen Typenzwang (siehe Rdn 169) sowie durch die Vorschrift des § 138 BGB. Weitere gesetzliche Einschränkungen finden sich auch im Heimgesetz (siehe hierzu Rdn 171). Die Testierfreiheit erfährt ihren Schutz in § 2302 BGB. Danach ist ein Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder nicht zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben, nichtig.
Rz. 148
Die Testierfreiheit kann des Weiteren dadurch eingeschränkt sein, dass der Erblasser sich bereits durch einen Erbvertrag oder ein bindend gewordenes Ehegattentestament verpflichtet hat. Beim Vorliegen einer solchen bindenden Verfügung von Todes wegen sind alle späteren Verfügungen nichtig, wenn sie der älteren widersprechen. Für den Erbvertrag wird dies in § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB geregelt, für das gemeinschaftliche Testament in §§ 2270, 2271 Abs. 1 S. 2 BGB.
Rz. 149
Bei einem Ehegattentestament ist eine Bindungswirkung dann anzunehmen, wenn es sich um eine wechselbezügliche Verfügung handelt und der erste Todesfall eingetreten ist. Eine Wechselbezüglichkeit liegt vor, wenn die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die des anderen getroffen worden wäre. Anders gesagt: Der eine Ehegatte hat seine Verfügung im Hinblick auf die Verfügung des anderen so bestimmt. Voraussetzung ist somit eine gegenseitige innere Abhängigkeit beider Verfügungen. Gemäß § 2270 Abs. 3 BGB können jedoch in einem gemeinschaftlichen Testament nur die Erbeinsetzung, das Vermächtnis, die Auflage oder die Wahl des anzuwendenden Erbrechts wechselbezüglich und bindend sein. Nicht wechselbezüglich sind demgemäß die Enterbung, die Anordnung der Testamentsvollstreckung, eine Teilungsanordnung, der Entzug des Pflichtteils, ein Auseinandersetzungsverbot, die Errichtung einer Stiftung oder familienrechtliche Anordnungen.
Rz. 150
Ist in einem gemeinschaftlichen Testament die Wechselbezüglichkeit einzelner Verfügungen nicht ausdrücklich genannt, ist diese anhand des Wortlauts und Inhalts der letztwilligen Verfügung zu ermitteln. Die Auslegung richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Eine ergänzende Auslegung kommt ebenfalls in Betracht. Die Wechselbezüglichkeit hängt demgemäß vom Willen der Ehegatten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ab. Wurden gleich lautende Verfügungen getroffen, spricht dies nach OLG Hamm für eine Wechselbezüglichkeit. Nach Meinung des BayObLG ist der Grad der Verwandtschaft eines Schlusserben zum Erblasser allein noch kein Indiz für eine Wechselbezüglichkeit. Das BayObLG geht sogar so weit, dass für den Fall, dass sich die Ehegatten gegenseitig bedenken und der Nachlass im Falle des Todes des Längstlebenden den gemeinsamen Kindern zufallen soll, die Schlusserbeneinsetzung nicht ohne weiteres wechselbezüglich sein muss. Derjenige, der sein Erbrecht auf die Wechselbezüglichkeit stützt, hat die Feststellungslast für solche Tatsachen, die die Wechselbezüglichkeit begründen. Verbleiben Zweifel, gehen diese zu seinen Lasten.
Rz. 151
Führt die individuelle Auslegung nicht zu einem klaren Ergebnis, so greift die Vermutungsregelung des § 2270 Abs. 2 BGB ein. Demgemäß ist Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahesteht. Ein Verwandtschaftsverhältnis zu beiden Ehegatten ist nicht erforderlich. Für die Frage, ob ein Verwandtschaftsverhältnis vorliegt, ist die Regelung des § 1589 BGB maßgeblich. Im Übrigen ist der Begriff "nahestehende Person" eng auszulegen. An die Vermutungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen, da ansonsten die Gefahr besteht, dass sie zur gesetzlichen Regel wird. Eine enge persönliche und innere Bindung des betroffenen Ehegatten ist stets erforderlich. Dies ist z.B. bei Stief- und Pflegekindern zu bejahen oder auch bei engen Freunden, desgleichen bei langjährigen Angestellten, ggf. auch bei Verschwägerten.
Rz. 152
Sind Personen bedacht, die nur mit dem längstlebenden Ehegatten verwandt sind, liegt in aller Regel keine Bindungswirkung vor. Unter Umständen ka...