Rz. 191
Der Erblasser kann für den Fall, dass der Erbe vor oder nach dem Eintritt des Erbfalls wegfällt, einen anderen als Erben einsetzen (Ersatzerbe). Ein Wegfall vor Eintritt des Erbfalls erfolgt beispielsweise durch den Tod des zunächst eingesetzten Erben vor dem Tod des Erblassers, durch die Erklärung eines Erbverzichts oder den Eintritt einer auflösenden Bedingung vor Eintritt des Erbfalls, ein Wegfall vor Eintritt des Erbfalls liegt auch vor, wenn der Erblasser die Erbeinsetzung widerruft bzw. die Erbeinsetzung von Anfang an nichtig oder unwirksam war. Ein Wegfall nach Eintritt des Erbfalls erfolgt durch Ausschlagung, Erbunwürdigkeitserklärung oder Anfechtung. Für den Fall, dass der Erblasser eine Ersatzerbenregelung nur für eine der beiden Fallgruppen (Wegfall vor/nach dem Erbfall) getroffen hat, ist gem. § 2097 BGB im Zweifel anzunehmen, dass die Ersatzerbenregelung für beide Fälle gilt. Soll die Ersatzerbenbestimmung nur für einen Fall gelten, ist dies ausdrücklich zu regeln. Eine Ersatzerbenbestimmung kann auch nur für einen der Wegfallgründe vorgenommen werden.
Verstirbt der Erbe nach Eintritt des Erbfalls, ist dies kein Wegfallgrund, da er seinerseits den ererbten Nachlass weitervererbt. Die Einsetzung eines Ersatzerben verhindert vorwiegend den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge bei Wegfall eines Erben. Dies entspricht dem Eintrittsrecht gem. § 1924 Abs. 3 BGB bei der gesetzlichen Erbfolge.
Rz. 192
Ein Problem stellt die "taktische Ausschlagung" dar, d.h. der Erbe schlägt gem. § 2306 Abs. 1 BGB aus, um seinen Pflichtteil zu erlangen. Dies führt dazu, dass der Stamm des Ausschlagenden Erbe wird. Allerdings trägt dieser die Pflichtteilslast gem. § 2320 Abs. 2 BGB. Häufig entspricht diese Rechtsfolge allerdings nicht dem Willen des Erblassers. Es sollte daher eine Verwirkungsklausel dahin gehend aufgenommen werden, dass dasjenige Kind, welches den Pflichtteil verlangt, mit seinem ganzen Stamm von der Erbfolge ausgeschlossen ist.
Nach der Rechtsprechung gilt die Vermutung, dass ein Erbe, der den Pflichtteil verlangt, mit seinem ganzen Stamm ausgeschlossen ist, allerdings gilt dies nur dann, wenn die Ersatzerbenberufung auf § 2069 BGB beruht, nicht hingegen, wenn Ersatzerben ausdrücklich berufen wurden.
Die Fälle der Ausschlagung und Geltendmachung des Pflichtteils sollten daher bei der Ersatzerbenbestimmung ausdrücklich geregelt werden.
Rz. 193
Ist eine Ersatzerbenregelung nicht getroffen, so kommt es zur Anwendung der gesetzlichen Auslegungsvorschriften (§§ 2067, 2068, 2069 BGB). Hat der Erblasser z.B. einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden (§ 2069 BGB). Darüber hinaus wird § 2069 BGB seitens der Rechtsprechung im Rahmen einer ergänzenden Testamentsauslegung auch auf andere Bedachte ausgedehnt, die nicht Abkömmlinge im Sinne dieser Vorschrift sind. Allerdings kann § 2270 Abs. 2 BGB nach Ansicht des BGH nicht auf die nach § 2069 BGB vermutete Ersatzerbenbestimmung angewendet werden.
Rz. 194
In jedem Falle ist darauf zu achten, dass die Ersatzerbenbestimmung so ausgestaltet ist, dass weder auf gesetzliche Vermutungsregeln noch auf die ergänzende Auslegung zurückgegriffen werden muss. In diesem Zusammenhang ist auf die Vermutungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB hinzuweisen. Diese gilt im Rahmen der Nacherbfolge. Danach enthält eine Einsetzung zum Nacherben im Zweifel auch eine Einsetzung zum Ersatzerben. Umgekehrt gilt diese Regelung allerdings nicht.