Rz. 81
Vor der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs ist zunächst zu prüfen, ob die jeweilige Person überhaupt zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehört. Wer pflichtteilsberechtigt ist, bestimmt § 2303 BGB und die oftmals missverstandene Vorschrift des § 2309 BGB.
Rz. 82
Zu den pflichtteilsberechtigten Personen gehören zunächst die Abkömmlinge des Erblassers und der Ehepartner und nur, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind, seine Eltern. Dabei steht den Eltern des Erblassers und entfernteren Abkömmlingen (Enkeln) nur dann ein Pflichtteil zu, wenn nähere Abkömmlinge (Kinder) nicht mehr vorhanden sind (§§ 2303, 2309 BGB).
Rz. 83
Zu den Pflichtteilsberechtigten gehören auch das adoptierte Kind und das nichteheliche Kind. Ist im Zeitpunkt des Erbfalls die Vaterschaft ungeklärt, so muss der Pflichtteilsberechtigte die Vaterschaft feststellen lassen. Für den Fall, dass der Erblasser mehrere Abkömmlinge hinterlassen hat, ist es möglich, die Vaterschaft durch ein Abstammungsgutachten anhand genetischer Materialien der (Stief-)Geschwister festzustellen. Weigern sich die Geschwister, an der Feststellung mitzuwirken, muss eine Exhumierung erfolgen. Hierbei ist zu beachten, dass das Recht auf Feststellung dem Recht der Totenfürsorge vorgeht.
Rz. 84
Ebenso pflichtteilsberechtigt ist der Partner einer gleichgeschlechtlichen eingetragenen Lebenspartnerschaft, § 10 Abs. 6 LPartG (vgl. hierzu § 17 Rdn 95).
Rz. 85
Ein Pflichtteilsanspruch ist gegeben, wenn die Berechtigten nach der gesetzlichen Erbfolge Erben geworden wären, sie aber im konkreten Fall durch eine Verfügung von Todes wegen enterbt wurden. Handlungen des Berechtigten selbst, die zum Verlust des gesetzlichen Erbrechts führen, führen auch in der Regel zum Verlust des Pflichtteilsrechts (z.B. Erbverzicht, Erbausschlagung).
Rz. 86
Jeder Pflichtteilsberechtigte hat, soweit Beschwerungen i.S.d. § 2306 BGB angeordnet wurden, die Möglichkeit, den belasteten Erbteil auszuschlagen, ohne dass er hierdurch seinen Pflichtteilsanspruch verliert (taktische Ausschlagung). Welchen Umfang der hinterlassene Erbteil hat, spielt seit der Erbrechtsreform 2010 keine Rolle mehr.
Rz. 87
Entfernte Abkömmlinge (Enkel) und die Eltern des Erblassers sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn sie bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge Erben werden würden. Voraussetzung ist zum einen, dass die Abkömmlinge nicht durch nähere Abkömmlinge und dass die Eltern nicht durch Abkömmlinge von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind und dass sie zum anderen ebenfalls durch den Erblasser enterbt wurden.
Rz. 88
Ein näherer Pflichtteilsberechtigter entfällt also gem. § 2309 BGB nur dann, wenn er vor dem Erbfall verstorben ist, er nach § 1953 BGB ausgeschlagen hat oder er für erbunwürdig erklärt wurde. Gleiches gilt für den Fall, dass ihm der Pflichtteil vom Erblasser wirksam entzogen wurde oder er einen Erb- und Pflichtteilsverzicht abgegeben hat, der sich nicht auf die Abkömmlinge erstreckt.
Rz. 89
Nicht pflichtteilsberechtigt sind entferntere Abkömmlinge und Eltern also dann, wenn der nähere Abkömmling den Pflichtteil verlangen kann, wobei er hierzu nicht verpflichtet ist, oder er nach §§ 2306, 2307 BGB ausgeschlagen hat und letztlich auch dann, wenn er das ihm Zugewandte annimmt. Ziel und Zweck des § 2309 BGB ist es, dass es letztlich nicht zu einer Doppelbegünstigung desselben Stammes kommt, indem ihm mehrere Pflichtteilsrechte zustehen.
Rz. 90
Des Weiteren ist § 2305 BGB zu beachten. Ist einem Pflichtteilsberechtigten ein Erbteil hinterlassen, der geringer ist als die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils, ist er demgemäß nicht vollständig enterbt, so kann er von den Miterben als Pflichtteil den Wert des an der Hälfte fehlenden Teils verlangen.