Rz. 91

Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs wird von drei Faktoren bestimmt, nämlich erstens von der Höhe der gesetzlichen Erbquote, zweitens vom Wert des Nachlasses und drittens vom Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls (§§ 2303 Abs. 1 S. 2, 2311 BGB).

 

Rz. 92

Der Pflichtteil beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote (vgl. zur Pflichtteilsquote eines Partners einer eingetragenen Lebenspartnerschaft § 17 Rdn 101).

 

Rz. 93

Für die konkrete Ermittlung des Nachlasswerts ist so vorzugehen, dass in einem ersten Schritt der Bestand des Nachlasses festzustellen ist, d.h., dass diejenigen Vermögenspositionen vom Nachlass auszusondern sind, die für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nicht berücksichtigt werden dürfen, so beispielsweise Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall (Lebensversicherungen). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Rechtsverhältnisse, die infolge des Erbfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit (Konfusion) oder von Recht und dinglicher Belastung (Konsolidation) erloschen sind, im Rahmen der Pflichtteilsberechnung als nicht erloschen gelten.

 

Rz. 94

Weiterhin bleiben die Vermögenspositionen unberücksichtigt, die unvererblich sind. Auch solche Gegenstände, bezüglich derer ein gegenständlicher beschränkter Pflichtteilsverzicht abgegeben worden ist, bleiben außen vor. Gemäß § 2313 Abs. 1 S. 1 BGB bleiben aufschiebend bedingte Rechte und Verbindlichkeiten unberücksichtigt, auflösend bedingte Rechte hingegen werden gem. § 2313 Abs. 1 S. 2 BGB in voller Höhe angesetzt.

 

Rz. 95

Nachdem der Bestand des Nachlasses feststeht, ist der Wert der Nachlassgegenstände (Aktiva) zu ermitteln. Von den Aktiva des Nachlasses sind dann die Passiva, welche die Erblasserschulden und die Erbfallkosten darstellen, abzuziehen. Schulden, die den Pflichtteilsverbindlichkeiten gem. § 327 InsO im Rang nachgehen, sind nicht abzugsfähig. Hierzu zählen zum einen die Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen. Dies gilt auch dann, wenn sie dem Pflichtteilsberechtigten selbst zugewandt wurden.[84] Auflagen und Verbindlichkeiten gegenüber Erbersatzberechtigten sind ebenfalls nicht abzugsfähig. Nicht abziehbar sind auch wegen ihres Vermächtnischarakters die Ansprüche der Familienangehörigen auf den Dreißigsten (§ 1969 BGB). Die Pflichtteilsansprüche selbst können ebenfalls nicht abzogen werden. Ferner können folgende Erbfallschulden nicht in Abzug gebracht werden: Erbschaftsteuer, die Kosten der Nachlassauseinandersetzung, die Kosten für die Verwaltung des Nachlasses durch den Erben sowie die einer Nachlassinsolvenz und die Kosten der Testamentseröffnung.[85]

Der Voraus gem. § 1932 BGB stellt zwar ein gesetzliches Vorausvermächtnis an den überlebenden Ehegatten dar. Gemäß § 2311 Abs. 1 S. 2 BGB geht dieser aber den Pflichtteilsrechten der Eltern und Abkömmlinge vor, was dazu führt, dass er bei der Berechnung des Pflichtteils vom Aktivnachlass abzuziehen ist. Dies gilt aber nur für den Fall, dass beim überlebenden Ehegatten die gesetzliche Erbfolge eintritt.[86]

Aus dem Vergleich zwischen Aktiva und Passiva, nach Ermittlung des Nachlassbestandes, ist dann der Pflichtteil entsprechend der Quote zu berechnen.

 

Rz. 96

Die Erbquote bestimmt sich nach der Zahl der "gesetzlichen Miterben". Auch die enterbten Personen, diejenigen, die für erbunwürdig erklärt wurden, sowie diejenigen, die ausgeschlagen haben, werden mitgezählt. Ob diese Personen das Recht haben, selbst den Pflichtteil geltend zu machen, ist ohne Belang.[87] Berücksichtigt wird auch das nichteheliche Kind, da seit dem 1.4.1998 kein Unterschied mehr besteht zwischen ehelichem und nichtehelichem Kind. Diejenigen, die auf ihren Erbteil verzichtet haben, sowie diejenigen Personen, die vorverstorben sind, werden nicht mitgezählt. Ein Erbverzicht wirkt sich somit pflichtteilserhöhend aus. Es ist daher vor dem Abschluss eines Erbverzichtsvertrags zu warnen. Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag reicht in der Regel aus.

 

Rz. 97

Beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft kann es ebenfalls zu einer Verschiebung der Erbquote des Ehegatten und somit zu einer Veränderung der Pflichtteilsquoten kommen. In den Fällen, in denen der überlebende Ehegatte nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer wird, weil er enterbt ist oder ausschlägt, bestimmt sich sein Pflichtteil nach der nicht erhöhten Erbquote nach den Vorschriften gem. §§ 1931, 1371 Abs. 2 BGB. Der Ehegatte hat somit neben Verwandten der ersten Ordnung einen Pflichtteil von ⅛. In einem solchen Fall erhöhen sich auch die Pflichtteilsquoten der anderen Pflichtteilsberechtigten (§ 1371 Abs. 2 S. 2 BGB).

 

Rz. 98

Somit ergeben sich folgende Pflichtteilsquoten für die jeweiligen Abkömmlinge:[88]

 
  Quote der Abkömmlinge
Anzahl der Kinder erbrechtliche Lösung güterrechtliche Lösung
  Gesetzlicher Erbteil Pflichtteil Gesetzlicher Erbteil Pflichtteil
1 ½ ¼ ¾
2 ¼ 3/16
3 1/6 1/12 ¼
4 1/16 3/16 3/32
5 1/10 1/20 3/20 3/40
 

Rz. 99

Für den Fall, dass der überlebende Ehegatte zum Alleinerben berufen ist, bestimmen sich die Pfl...

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