A. Rechtliche Grundlagen
I. Testamentsgestaltung als Teil des "Estate-Planning"
Rz. 1
Laut volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung lag das Nettovermögen der privaten Haushalte im Jahre 2015 bei 11,2 Bill. EUR. Jedes Jahr wird ein Teil dieses Vermögens unter Lebenden übertragen bzw. an die nächste Generation vererbt. Aufgrund von Berechnungen wurde festgestellt, dass jährlich zwischen 200 und 300 Mrd. EUR vererbt oder verschenkt werden, zwischen 2015 und 2024 insgesamt 3,1 Bill. EUR. Ein Grund, das Thema der Vermögensnachfolge verstärkt ins Gespräch zu bringen. Gerade im Hinblick auf die genannten Zahlen und die dahinterstehenden Vermögenswerte sollte sich jeder, der etwas zu vererben hat, mit der Nachfolgeproblematik beschäftigen. Denn der unvorhergesehene Todesfall bringt neben dem persönlichen Verlust eine Reihe schwieriger, insbesondere rechtlicher und steuerlicher Probleme mit sich. Hierfür sollte eine hinreichende erbrechtliche Vorsorgeregelung vorhanden sein, insbesondere auch dann, wenn sich im Vermögen ein Unternehmen befindet. In den meisten Fällen entspricht die gesetzliche Erbfolge nicht den Wünschen der Parteien. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Ehegatten zur Erbfolge gelangen. Der Anwalt tut gut daran, seinen Mandanten in diesem Bereich regelmäßig und umfassend zu informieren und zu beraten.
Rz. 2
Was in den USA seit Jahren unter dem Stichwort "Estate Planning" als ein alltäglicher Beratungsvorgang im Hinblick auf die vermögensmäßige Nachfolge gilt, wird hierzulande sowohl seitens der Berater als auch seitens der Mandanten eher stiefmütterlich gehandhabt. "Estate Planning", zu Deutsch Nachlassplanung, beinhaltet die Beratung und Regelung der Vermögensnachfolge im Hinblick auf den Todesfall. Hierdurch soll der Vermögenstransfer – zumeist in die nächste Generation – geregelt und abgesichert werden. Zur Absicherung der lebzeitigen Vermögensnachfolge dient insbesondere die Verfügung von Todes wegen, mit der sich das nachfolgende Kapitel beschäftigt.
II. Ermittlung der Ausgangslage
Rz. 3
Jede Bearbeitung eines erbrechtlichen Mandats – ob im gestalterischen oder im prozessualen Bereich – setzt eine genaue Kenntnis des Sachverhalts voraus. Je umfangreicher und genauer die Informationen sind, desto größer sind die Chancen einer erfolgreichen Mandatsführung. Der Anwalt kann seine Rechtskenntnisse und die in der Praxis erlernten Kunstgriffe nur dann anwenden, wenn er die dazugehörige Information hat. Zeichnet es sich im Mandantengespräch ab, dass es nicht bei einem ersten Beratungsgespräch (§ 34 Abs. 1 S. 3 RVG) bleiben wird, dann sollte er sich die nötige Zeit nehmen, um alle nur denkbaren Informationen zu erhalten. Er muss sich daher zu Beginn des Mandats stets fragen, welche Informationen und Unterlagen er benötigt, damit er dem Mandanten dann eine konkrete Gestaltung vorschlagen kann. Man kann sagen, dass die Sachverhaltserfassung gut und gerne ein Drittel des gesamten Zeitaufwandes des Mandats ausmachen kann.
Rz. 4
Die Ermittlung der Ausgangslage, d.h. die Sachverhaltserfassung, wird im Folgenden abgehandelt. Es hat sich durchaus bewährt, bei jedem Mandat checklistenartig folgende Punkte zu erfragen:
1. Personen und Güterstände
Rz. 5
Um sich in jeder Phase der Bearbeitung des Mandats einen schnellen Überblick über die an dem Verfahren beteiligten Personen machen zu können, sollte man sich zunächst bei der Personenerfassung eine Art Familienstammbaum des Mandanten bzw. des Erblassers zeichnen. Weiter ist der Familienstand des Erblassers zu erfassen (ledig, verheiratet, verwitwet, geschieden). Anhand eines solchen Stammbaums lassen sich schnell die einzelnen Erbenordnungen und somit die Ansprüche der Beteiligten feststellen. Nicht zuletzt heißt es, dass der Stammbaum die Grundlage der Berechnung aller erbrechtlichen Ansprüche ist. Es sollten sowohl die Familienangehörigen als auch sonstige Bedachte aufgeführt werden. Über das Standesamt des Geburtsortes des Erblassers erhält man erforderliche Personenstandsdaten. Die Auskunftsberechtigung ergibt sich aus dem Personenstandsgesetz.
Rz. 6
Im Testament sollten sowohl beim Erblasser als auch bei den bedachten Personen neben dem Namen und Vornamen auch das Geburtsdatum und der derzeitige Wohnsitz angegeben werden. Die Angabe des Wohnsitzes bei den Bedachten ist deshalb von Bedeutung, weil dieser im Erbfall erst ermittelt werden muss, unabhängig davon, ob es sich um den Erben, Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigten handelt. Der letzte Wohnsitz des Erblassers steht in der Regel fest. Des Weiteren sollte der Berater auch die persönliche Situation der Bedachten ermitteln, beispielsweise, ob diese verheiratet oder verschwenderisch sind, um entspr...