Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 59
Während der Ehe haben die Ehepartner bestimmte finanzielle Dispositionen getroffen, von denen sich allein durch die Trennung und Scheidung keiner der beiden – ehemaligen – Partner einseitig lösen kann. Hat man also während der Ehe z.B. über die finanziellen Verhältnisse gelebt und seinen Lebensstandard teilweise über Kredite finanziert, so können nun nach der Trennung diese Belastungen nicht einem Ehegatten alleine auferlegt werden.
Rz. 60
Daher sind monatlich Raten für Darlehen, die während der Ehe aufgenommen worden sind, grundsätzlich in voller Höhe – also mit Zins- und Tilgungsanteil – abzuziehen. Dabei ist unerheblich, welcher Ehegatte die Kreditverbindlichkeiten eingegangen ist und wofür das Geld ausgegeben worden ist. Die Ausführungen gelten daher sowohl für Ratenbelastungen des Unterhaltspflichtigen als auch der Unterhaltsberechtigten. Unerheblich ist auch, wer die mit dem Darlehen angeschafften Vermögensgegenstände (Möbel, Auto) nach der Trennung erhalten hat.
Rz. 61
Die Rückzahlung hat nach einem vernünftigen Tilgungsplan in angemessenen Raten zu erfolgen. Dabei sind in der Regel die während der Zeit des Zusammenlebens gezahlten Raten in gleicher Höhe weiter zu zahlen. Allerdings kann bei recht engen finanziellen Verhältnissen gefragt werden, ob der Unterhaltspflichtige, der auch die Schulden tilgt, nicht gehalten ist, die monatlichen Raten zu strecken. Abzuwägen ist hier das Interesse des Unterhaltspflichtigen, die Schulden in absehbarer Zeit zu tilgen gegen das Interesse der Unterhaltsberechtigten an möglichst hohen Zahlbeträgen. Zur Herabsetzung der Darlehensraten ist jedoch das Einverständnis des Kreditgebers erforderlich.
Rz. 62
Unterschiede macht die Rechtsprechung aber zwischen dem Ehegattenunterhalt und dem Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder. Denn die Kinder hatten – anders als der Ehegatte – bei der Aufnahme der Schulden kein Mitspracherecht. Daher wird hier wird die Anrechnung zumindest so weit reduziert, dass der Mindestbedarf – also der Satz nach Gruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle – sichergestellt ist.
Es entspricht der ständigen Rspr. des BGH, dass auch minderjährige Kinder sich dabei grundsätzlich auch diejenigen Kreditverbindlichkeiten entgegenhalten lassen müssen, die in der Zeit des Zusammenlebens der Eltern zum Zwecke gemeinsamer Lebensführung und nicht nur zur Wahrnehmung persönlicher Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen eingegangen worden sind.
Rz. 63
Praxishinweis:
Zu unterscheiden ist also zwischen Ratenbelastungen für Schulden,
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die zum Zwecke gemeinsamer Lebensführung und |
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zur Wahrnehmung persönlicher Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen |
eingegangen worden sind.
Rz. 64
Weil sie aber jedenfalls bis zum Ende ihrer Schulpflicht keine Möglichkeit haben, durch eigene Anstrengungen zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs beizutragen, und auf die Entstehung der von den Eltern aufgenommenen Schulden keinen Einfluss nehmen konnten, wird die Billigkeitsabwägung bei ihnen im Allgemeinen dazu führen, dass wenigstens der Mindestunterhalt zu zahlen ist, soweit dies nicht nur auf Kosten einer ständig weiter anwachsenden Verschuldung geschehen kann.
Rz. 65
Praxishinweis:
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Mit dem letzten Halbsatz wird aber deutlich gemacht, dass die vorgenannten Einschränkungen jedenfalls dann nicht gelten, wenn der verschuldete Elternteil nicht einmal in der Lage ist, die anfallenden Zinsen vollständig abzudecken und sein Schuldenberg daher weiter anwächst. |
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Der Verfahrensbeteiligte, der sich auf die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung von Schuldenbelastungen beruft, muss substantiierte Darlegungen zu den oben beschriebenen Umständen bringen, um eine Anrechnung im Rahmen der Einzelfallentscheidung zu erreichen. |
Rz. 66
Fallbeispiel:
Der Ehemann zieht aus der früheren Ehewohnung aus und muss ich neu einrichten. Da er über keine finanziellen Rücklagen und nur ein niedriges Einkommen verfügt, muss er einen Kredit bei seiner Hausbank aufnehmen. Soweit er sich darauf beschränkt, nur die notwendigsten Aufwendungen für Tapeten, Gardinen, Teppichboden, Möbel usw. zu tätigen und ein entsprechendes Darlehen aufnimmt, das er mit möglichst geringen Monatsraten abträgt, muss ihm diese monatliche Ratenbelastung auch gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau bei der Unterhaltsberechnung anerkannt werden.