Dr. iur. Wolfram Viefhues
a) Belastungen mindern den Wohnwert
Rz. 97
Der in die Unterhaltsberechnung einzustellende Wohnwert errechnet sich aus der Differenz zwischen dem anzurechnenden Nutzungsvorteil der Immobilie und den tatsächlichen abzugsfähigen Kosten für das Haus bzw. die Wohnung, die der in der Wohnung verbliebene Ehegatte trägt.
Rz. 98
Übersteigen die unterhaltsrechtlich anzuerkennenden Kosten den Wohnwert, ist beim angemessenen Wohnvorteil mit einem negativen Wohnwert zu rechnen.
Rz. 99
Beispiel:
Für die vom in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten benutzte Wohnung trägt dieser noch anzurechnende Kosten in Höhe von mtl. 250 EUR. Der diesem Ehegatten zuzurechnende nach seinen Lebensverhältnissen angemessene Wohnwert wird auf 600 EUR geschätzt. In die Unterhaltsberechnung sind lediglich 350 EUR (600 EUR abzgl. 250 EUR) einzustellen.
Praxistipp:
Zahlt diese Kosten der Ehegatte, der die Wohnung verlassen hat, vermindern diese Kosten sein unterhaltsrechtlich anzurechnendes Einkommen.
Bei einer entsprechenden Absprache der Ehegatten darin eine Naturalleistung zu sehen, die den Bedarf des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten teilweise deckt. Ohne eine solche Abrede hat der berechtigte Ehegatte einen unbeschränkten Anspruch auf eine Geldrente (§ 1361 IV 1 BGB).
b) Welche Belastungen sind anzurechnen?
Rz. 100
Die Kosten der Immobilie sind im Grundsatz nur insoweit gegenzurechnen, als sie solche Positionen betreffen, die von einem Mieter nicht verlangt werden können. Alle verbrauchsbedingten Kosten sowie alle nicht verbrauchsbedingten Kosten, die auch ein Mieter zahlen müsste, hat der in der Ehewohnung verbliebene Ehepartner zu tragen, ohne dass er diese Kosten dem Wohnvorteil entgegen setzen kann. Alle auf einen Mieter umlegbaren Betriebskosten dürfen folglich vom Wohnwert nicht abgezogen werden.
aa) Unabhängig vom Zeitpunkt abziehbare Kosten
Rz. 101
Unabhängig vom Zeitpunkt abgezogen und damit unterhaltsrechtlich berücksichtigt werden
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Zinsen |
▪ |
notwendige Instandhaltungskosten für die Beseitigung unaufschiebbarer Mängel |
▪ |
Hausverwalterkosten. |
Abgestellt wird dabei vom BGH auf tatsächlich geleistete Zahlungen.
bb) Tilgungsleistungen
Rz. 102
Tilgungsleistungen, die nach der Trennung erbracht werden, sind nach der neueren Rechtsprechung des BGH immer unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen.
cc) Abziehbarkeit von sonstigen Kosten
Rz. 103
Bei der Bemessung des Wohnvorteils geht die Rechtsprechung im Ansatz davon aus, dass der Eigentümer wegen der ersparten Miete billiger lebt als ein Mieter. Kosten die mit dem Eigentum verbunden sind, mindern folglich diesen Wohnvorteil, wenn nicht auch ein Mieter solche Kosten zahlen müsste.
Rz. 104
Bei den Nebenkosten hat der BGH früher verbrauchsunabhängige Nebenkosten wie Grundsteuern, Hausversicherungen generell als abzugfähig angesehen. Dies hat der BGH ausdrücklich aufgegeben.
Rz. 105
Von dem Wohnvorteil dürfen deswegen künftig nur noch Kosten abgezogen werden, die nicht nach der ll. Berechnungsverordnung auf einen Mieter umgelegt werden können und deswegen allein einen Eigentümer treffen.
Rz. 106
Nicht abziehbar sind Kosten einer allgemeinen Renovierung z.B. nach dem Auszug des Partners.
dd) Doppelverwertungsverbot beachten!
Rz. 107
Sind bestimmte Kosten wie z.B. Tilgungs- und Zinsleistungen bereits im Rahmen der Unterhaltsberechnung berücksichtigt worden, so scheidet eine Berücksichtigung in anderen Rechtsbeziehungen wie z.B. beim Gesamtschuldnerausgleich aus. Umgekehrt kann einer Berücksichtigung beim Unterhalt entgegenstehen, dass die gleiche Position bereits im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung oder des Zugewinnausgleichs berücksichtigt worden ist (Doppelverwertungsverbot; siehe Rdn 68 ff.). Auch bei einer gezahlten Nutzungsvergütung gem. § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB kann das Doppelverwertungsverbot relevant werden.
ee) Praktische Behandlung in der anwaltlichen Beratung:
Rz. 108
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass die Eheleute nach der Trennung in Verkennung der wirtschaftlichen Realitäten sich an den Gedanken klammern "das Haus für die Kinder zu erhalten".
Rz. 109
Bei der anwaltlichen Beratung sollte sobald als möglich dem Mandanten die rein wirtschaftlich zu beantwortende Frage gestellt werden, ob einer der Ehegatten nach der Scheidung mit all den damit verbundenen finanziellen Veränderungen überhaupt noch über ausreichende finanzielle Substanz verfügen wird, die mit dem Haus bzw. der Eigentumswohnung verbundenen finanziellen Belastungen auf lange Sicht alleine tragen zu können.
Rz. 110
Dabei ...