Dr. iur. Wolfram Viefhues
I. Voraussetzungen für eine sofortige Scheidung
Rz. 149
Vor Ablauf des Trennungsjahres ist nur eine sog. Härtefallscheidung nach § 1565 Abs. 2 BGB möglich. Voreiligen Scheidungsentschlüsse, etwa aus vorübergehenden Stimmungslagen oder Krisensituationen, soll entgegengewirkt werden. Dies setzt voraus, dass in der Person des Antragsgegners eine unzumutbare Härte vorliegt. Die alltäglichen Probleme, die häufig bei Trennung von Eheleuten auftreten wie z.B. Stress, Misshelligkeiten, Streitigkeiten und Ärger reichen dazu ebenso wenig aus wie die bloße Ablehnung des Partners. Auch eine einmalige körperliche Misshandlung genügt nicht. An die unzumutbare Härte sind strenge Anforderungen zu stellen, wobei dem Antragsteller nicht zumutbar sein darf, mit der Scheidung bis zum Ablauf des Trennungsjahres zu warten.
Die Rechtsprechung zu den Härtegründen ist nicht einheitlich:
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Der praktisch häufigste Fall des Ehebruches wird nicht immer als Härtefall anerkannt. Vielfach wird auf die konkreten Begleitumstände abgestellt. Überwiegend wird daher in der Praxis verlangt, dass der Verstoß gegen die eheliche Treue von einiger Dauer ist, nach außen in Erscheinung tritt oder ein eheähnliches Zusammenleben mit dem neuen Partner vorliegen muss. Auch eine gleichzeitige schwere Krankheit des Unterhaltspflichtigen genügt. |
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Bei Schwangerschaft der Ehefrau aus einem ehebrecherischen Verhältnis liegt ein Härtegrund für eine Scheidung nach § 1565 Abs. 2 BGB vor. |
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Misshandlungen werden teilweise als Härtefall anerkannt, teilweise wird dies aber auch mit dem Hinweis verneint, durch konsequente Trennung der Eheleute könne die Fortsetzung dieses Verhaltens unterbunden werden. Auch sexuelle Nötigungen reichen nicht immer aus. |
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Eine Härtefallscheidung kommt in Betracht, wenn der Ehemann nach einem Gewaltexzess und den daraufhin getroffenen Regelungen zur Überlassung der Ehewohnung und zu einem Näherungs- und Kontaktaufnahmeverbot weiterhin in bedrohlicher Weise Kontakt zu der Ehefrau gesucht hat. |
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Das Gleiche gilt für Alkohol- oder Drogenmissbrauch, Morddrohungen, Aufnahme der Tätigkeit als Prostituierte. |
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Nicht ausreichend ist die Nichtzahlung des Unterhaltes. |
Rz. 150
Praxistipp:
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Für die Praxis ist wichtig, dass nach dem Gesetzeswortlaut der Härtegrund in der anderen Person liegen muss. Das bedeutet, dass z.B. der Ehemann eine Härtefallscheidung beantragen kann, nicht aber die von einem anderen Mann schwangere Ehefrau. |
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In jedem Fall darf die Härte nicht durch die räumliche Trennung der Parteien beseitigt werden können. Sinn des Trennungsjahres ist es ja gerade, die Eheleute dazu zu zwingen, sich sorgfältig zu prüfen, ob sie wirklich die Ehe nicht mehr aufrechterhalten wollen. Es soll so bewusst voreiligen und leichtfertigen Scheidungen entgegengewirkt werden. |
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Die unzumutbare Härte muss sich daher auf das formale Band der Ehe, das "Weiter-miteinander-verheiratet-sein" beziehen und nicht auf die bloße Fortsetzung des ehelichen Zusammenlebens. |
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Bei einer nur sehr kurzen Trennungszeit verneinen viele Familiengerichte bereits die endgültige Zerrüttung der Ehe und gehen gar nicht mehr auf den Härtefall ein. Ein Mindestmaß an Trennungszeit sollte daher eingehalten sein. Von einer Scheidung vor Ablauf eines Trennungszeitraumes von 3 Monaten ist daher abzuraten! |
II. Risiken eines verfrühten Antrags
Rz. 151
Auch ist das Risiko eines verfrühten – also vor Ablauf des Trennungsjahres gestellten – Scheidungsantrags zu bedenken.
Rz. 152
Scheidungsanträge, die bereits vor Ablauf des Trennungsjahres eingeleitet werden, sind unzulässig (soweit nicht die Voraussetzungen eines Härtefalles vorliegen). Wird der Antrag in erster Instanz abgewiesen, kann dieser Antrag auch in der Beschwerdeinstanz nicht bestätigt werden, wenn dann das Trennungsjahr abgelaufen ist, wenn der Fortbestand der an die Zustellung geknüpften Stichtage (Zugewinn, Versorgungsausgleich) nachteilige Auswirkungen auf die Ansprüche des Antragsgegners haben würde.