Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 224
Eheleute, die nicht dauernd getrennt leben, können nach § 26 Abs. 1 EStG zwischen der getrennten Veranlagung gem. § 26a EStG und der Zusammenveranlagung gem. § 26b EStG wählen.
Praxistipp:
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Bei der Zusammenveranlagung werden die Einkünfte beider Ehegatten zusammengerechnet, ihnen gemeinsam zugerechnet und – soweit nichts anderes vorgeschrieben ist – gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt. |
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Bei der – günstigeren – Zusammenveranlagung von Eheleuten (§ 32a Abs. 5 EStG, sog. Splittingtarif) beträgt die Jahressteuer nach diesem Tarif das Zweifache des Steuerbetrages, der sich für die Hälfte des gemeinsam zu versteuernden Einkommens der Eheleute nach dem Grundtarif ergibt. |
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Beim Splittingtarif verdoppelt sich auch die Freigrenze nach § 3 Abs. 3 SoilZG. |
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Das Wahlrecht steht auch eingetragenen Lebenspartnern zu (§ 2 Abs. 8 EStG). |
Für das Jahr der Trennung kann sowohl die gemeinsame als auch die getrennte Veranlagung gewählt werden.
Rz. 225
Die Wahl der Veranlagungsart (Zusammenveranlagung und getrennte Veranlagung) kann nur so lange geändert werden, wie nicht beide Einkommensteuerbescheide bestandskräftig sind. Ein rückwirkendes Verlangen der getrennten Veranlagung kann als mutwillige Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen des anderen Ehegatten i.S.d. §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 5 BGB eingestuft werden.
Rz. 226
Werden die Ehegatten gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt, sind sie nach § 4 Abs. 1 AO auch Gesamtschuldner (§§ 421 ff. BGB) ihrer Steuerschuld. Eine gemeinsame Veranlagung zur Einkommensteuer ist aber nur bis zum Ablauf des ersten Trennungsjahrs zulässig. Durch die gemeinsame Veranlagung zur Einkommensteuer verschafften sich beide Eheleute Splittingvorteile.
Rz. 227
Bei getrennter Veranlagung erfolgt eine getrennte Berechnung der Steuern allein nach dem Einkommen des jeweiligen Ehegatten. Dies führt im Vergleich zur gemeinsamen Veranlagung bei einem Ehegatten zu Nachteilen, beim anderen Ehegatten zu Vorteilen. Daher stellt sich in der Praxis immer die Frage der Beteiligung an den Vorteilen des anderen Ehegatten bzw. nach dessen Verpflichtung zum Ausgleich der Nachteile.
Rz. 228
Der steuerliche Begriff des dauernden Getrenntlebens weicht von den Ehescheidungsvoraussetzungen nach dem BGB ab. Es gilt der Begriff des "dauernden Getrenntlebens" i.S.d. § 26 EStG. Abzustellen ist auf das Gesamtbild der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft. Eine dauernde räumliche Trennung hat regelmäßig besonderes Gewicht. Es ist jedoch auf alle Umstände und erkennbare Absichten abzustellen. In der Regel sind die Angaben der Ehegatten zugrunde zu legen, es sei denn, die äußeren Umstände lassen den Fortbestand der Lebensgemeinschaft fraglich erscheinen. Im Scheidungsverfahren getroffene Feststellungen sind nicht zwingend bindend, haben aber Indizwirkung.
Rz. 229
Praxistipp:
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Aus steuerlichen Gründen ist es daher nicht zu empfehlen, sich kurz vor dem Jahreswechsel zu trennen, weil damit bereits nach kurzer Zeit zum Jahresanfang des folgenden Jahres nur noch die getrennte Veranlagung (entsprechend Steuerklasse I) anzuwenden ist. |
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Hat im betroffenen Veranlagungszeitraum ein echter, aber gescheiterter Versöhnungsversuch stattgefunden, sollte er in geeigneter Weise aktenkundig gemacht werden. Steuerrechtlich unterbricht er – anders als für die Scheidung in § 1567 Abs. 2 BGB – das dauernde Getrenntleben für dieses Kalenderjahr. |
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Ein solcher Versöhnungsversuch muss mindestens drei bis vier Wochen dauern, wobei die Rechtsprechung unterschiedliche Zeiträume des erneuten Zusammenlebens von einem Monat bis zu sieben Wochen fordert. |
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Erfolgt ein drei- bis vierwöchige Versöhnungsversuch über die Jahreswende, besteht für den Veranlagungszeitraumes des Beginns des Versöhnungsversuchs das Recht der Zusammenveranlagung und für den Folgeveranlagungszeitraum des Folgejahres. |
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Die Feststellungslast trifft die Ehepartner. Die Darlegungs- und Beweislast trifft den Ehegatten, zu dessen Lasten ein non liquet geht. |
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Zur Beiziehung der Akten des Familiengerichts vertritt der BFH die Auffassung, dass ein Verstoß5 gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme vorliegt, wenn die Akten gegen den Widerspruch des Steuerpflichtigen beigezogen und verwertet werden, obwohl eine unmittelbare Beweiserhebung möglich wäre. Ist diese nicht möglich, zumutbar oder zulässig, sind die Akten dennoch nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter strikter Wahrung des Gebotes der Verhältnismäßigkeit beizuziehen. |
Rz. 230
Nach der Trennung kann die Zustimmung zur Zusammenveranlagung nicht vom Ausgleich der Mehrbelastung wegen Steuerklasse V abhängig gemacht werden. Eine Ehefrau kann grds. nicht wegen des Scheiterns der Ehe den Mehrbetrag, den sie wegen der Besteuerung ihres Einkommens nach der Lohnsteuerklasse V im Vergleich zur Besteuerung bei getrennter Veranlagung geleistet hat, vom Ehemann ersetzt verlangen. Der ehelichen Lebensgemeinschaft liegt nämlich die Auffassung zugrunde, mit d...