Rz. 46
Statt der Bestimmung des Bedarfs nach einer Quote (½) kann bei sehr guten Einkommensverhältnissen der Bedarf danach bestimmt werden, was die Unterhaltsberechtigte zur Lebensführung entsprechend den ehelichen Lebensverhältnissen (konkret) braucht. Die konkrete Bedarfsbemessung ist streng genommen keine Ausnahme vom Grundsatz der Halbteilung. Sie dient auch nicht der Reduzierung des Unterhaltsanspruchs. Ihr liegt der Gedanke zugrunde, dass nur das Einkommen der Halbteilung unterliegt, das für die Lebensführung verwendet wurde. Sie dient der Bereinigung des Einkommens um den Betrag, der nicht für die Lebenshaltung, sondern zur Vermögensbildung verwendet wurde (vgl. hierzu Rdn 67 ff.). Vgl. auch Nr. 15.3 der im Einzelfall anzuwendenden Leitlinien bzw. der SüdL, Anhang Nr. 3.
BGH, Beschl. v. 15.11.2017 – XII ZB 503/16
Der Unterhalt wird … in der Praxis bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen in den weitaus meisten Fällen nach einer Quote des Gesamteinkommens der Ehegatten bemessen.
Bei dieser Methode wird im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon ausgegangen, dass im Wesentlichen das gesamte Einkommen zu Konsumzwecken verbraucht wird. Dieses wird daher auch bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts nach dem Halbteilungsgrundsatz (für Einkommen aus Erwerbstätigkeit modifiziert um einen Erwerbsanreiz) im Ergebnis hälftig auf beide Ehegatten verteilt.
bb) Die Annahme, dass das gesamte vorhandene Einkommen für den Lebensunterhalt der Ehegatten verwendet wird, ist bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen allerdings nicht mehr ohne weiteres gerechtfertigt.
Vielmehr liegt in diesen Fällen die Vermutung nahe, dass ein Teil des Einkommens der Vermögensbildung zufließt.
Da der Unterhalt allein dazu bestimmt ist, den laufenden Lebensbedarf abzudecken, muss der Unterhaltsberechtigte in solchen Fällen auf geeignete Weise vortragen, in welchem Umfang das Familieneinkommen für den Konsum verbraucht worden ist.
Dieser Darlegungslast für seinen Unterhaltsbedarf kann der Unterhaltsberechtigte auf die Weise genügen, dass er den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) konkret vorträgt (vgl. dazu Senatsurteile vom 30.11.2011 – XII ZR 34/09, FamRZ 2012, 947 Rn 35 f. und vom 10.11.2010 – XII ZR 197/08, FamRZ 2011, 192 Rn 26 ff.).
Es besteht grds. ein Wahlrecht zwischen quotaler (50 % bzw. 45 %) und konkreter Bestimmung des Bedarfs.
BGH, Beschl. v. 29.9.2021 – XII ZB 474/20 Rn 19
Außerdem ist das Oberlandesgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Unterhaltsberechtigte bei sehr guten Einkommensverhältnissen ein Wahlrecht hat, nach welcher Methode er seinen Unterhalt bemessen will.
Rz. 47
Bei der Problematik "konkreter Bedarf oder quotaler Bedarf" ist Folgendes zu bedenken:
Die Darlegung und – bei Bestreiten – der Nachweis des konkreten Bedarfs ist in der Praxis aufwändig und schwierig.
Der Bedarf ist bei der "konkreten Bedarfsbestimmung" konkret anhand der monatlichen Kosten der Unterhaltsberechtigten betragsmäßig darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen (z.B. Kosten für Miete, Haushaltsführung, Kleidung, Kultur, Sport/Fitness, Auto, Reitpferd, Reisen etc.). Die praktische Schwierigkeit liegt in der Bestimmung, im Vortrag der einzelnen Bedarfspositionen und ihrer Höhe. Im Streitfall führt dies zu einer ausufernden "Zettelwirtschaft" mit Tank- und Friseurrechnungen etc. als Beweismittel.
Leichter – wenngleich ebenfalls nicht einfach – ist die Darlegung des quotalen Bedarfs. Die Darlegung und der Beweis setzen beim jeweiligen (bereinigten) Einkommen der Eheleute an. Nach Ermittlung des gemeinsamen bereinigten Einkommens beträgt der quotale Bedarf grds. 45 % des gemeinsamen Einkommens. Die Unterhaltsberechtigte muss also nur das gemeinsame (bereinigte) Einkommen vortragen (und nachweisen). Im Weiteren ist dann zu unterscheiden, ob ein gemeinsames bereinigtes Einkommen bis 11.000 EUR vorliegt, oder ein solches über 11.000 EUR.
Bis zum gemeinsamen (bereinigten) Monatseinkommen von 11.000 EUR gilt die Vermutung des vollständigen Verbrauchs, die die Halbteilung (Quotenunterhalt) rechtfertigt. Erst wenn der Unterhaltsschuldner die vollständige Verwendung durch konkreten Vortrag zu Vermögensbildung bestreitet, muss die Unterhaltsberechtigte die Verwendung darlegen und beweisen.
BGH, Beschl. v. 29.9.2021 – XII ZB 474/20 Rn 20
Allerdings spricht nach der neueren Rechtsprechung des Senats bei einem für den Ehegattenunterhalt relevanten Gesamteinkommen bis zum Doppelten des Höchstbetrags der gegenwärtigen Düsseldorfer Tabelle (zurzeit 11.000 EUR) eine Vermutung für den vollständigen Verbrauch dieser Einkünfte. Der Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen kann deswegen durch den Unterhaltsberechtigten allein unter Hinweis auf die Höhe der Einkünfte vorgetragen werden (Rubenbauer/Dose, NZFam 2021, 661, 663).
BGH, Beschl. v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19 Rn 28
Wie der Senat entschieden hat, ist es im Hinblick auf eine praktikable Bewältigung des Massenphänomens Unterhalt aus rechtsbe...