1. Eheliche Lebensverhältnisse
Rz. 62
Der Bedarf bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen.
§ 1578 Maß des Unterhalts
(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen.
2. Rechtskraft der Scheidung als Stichtag
Rz. 63
Es gilt der Grundsatz der gleichen Teilhabe (Halbteilungsgrundsatz). Für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse ist auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung abzustellen. (vgl. hierzu Rdn 36 ff., 58). Dieses Stichtagsprinzip gewährleistet die gebotene gleiche Teilhabe der Ehegatten am gemeinsam Erreichten.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Die ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne von § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB werden grundsätzlich durch die Umstände bestimmt, die bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eingetreten sind (Stichtagsprinzip). Nacheheliche Entwicklungen wirken sich auf die Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus, wenn sie auch bei fortbestehender Ehe eingetreten wären oder in anderer Weise in der Ehe angelegt und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren (im Anschluss an BVerfG FamRZ 2011, 437).
Hinweis
Besondere Bedeutung hat die Bestimmung des Stichtags im Falle des Hinzutretens weiterer Unterhaltsberechtigter nach Rechtskraft der Scheidung (vgl. Fälle 33 ff.).
Rz. 64
Maßgebend sind somit die ehelichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung. Im Fallbeispiel soll davon ausgegangen werden, dass die Einkünfte von M und F denen im Zeitpunkt der Scheidung entsprechen.
Hinweis
Es versteht sich von selbst, dass sich die Lebensverhältnisse der Ehegatten nach der Scheidung ändern, aber dann ist es eine Frage des Einzelfalls, ob diese Änderungen ausnahmsweise berücksichtigungsfähige Änderungen der ehelichen Lebensverhältnisse i.S.d. Stichtagsprinzips darstellen. So ist z.B. eine unverschuldete Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen, während eine willkürliche Aufgabe der Berufstätigkeit nicht zu berücksichtigen ist. Umgekehrt sind vorhersehbare Einkommenssteigerungen zu berücksichtigen, während z.B. ein unerwarteter Karrieresprung nicht zu berücksichtigen ist, der geschiedene unterhaltsberechtigte Partner hieran also nicht teilhat.
3. Der Bedarf des Ehegatten ist "die Hälfte der ehelichen Lebensverhältnisse" (Halbteilungsgrundsatz)
Rz. 65
Bei der Bestimmung der Höhe des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen gilt der Grundsatz der gleichen Teilhabe (Halbteilungsgrundsatz).
4. Quotaler Bedarf
Rz. 66
Grundsatz für die Bedarfsbestimmung ist also die Halbteilung.
Diese Zuordnung der Hälfte, also einer Quote, wird auch Quotenunterhalt genannt. Der Bedarf wird nach einer Quote bestimmt. In den meisten Fällen erfolgt eine solche Bedarfsbestimmung.
BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09
Entsprechend ist den geschiedenen Ehegatten bei der Unterhaltsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen das Einkommen, das den Lebensstandard ihrer Ehe geprägt hat, grundsätzlich hälftig zuzuordnen (Halbteilung), unabhängig davon, ob es nur von einem oder von beiden Ehegatten erzielt wird (BVerfG FamRZ 2011, 437).
BGH, Urt. v. 11.8.2010 – XII ZR 102/09
Der nacheheliche Unterhaltsbedarf ergibt sich nach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich aus den ehelichen Lebensverhältnissen. Zwar wird dieser vom Einkommen des besser verdienenden Ehegatten abgeleitete Unterhaltsbedarf regelmäßig als Quotenunterhalt nach Abzug eines Erwerbstätigenbonus im Wege der Halbteilung ermittelt. Diese Bedarfsberechnung beruht auf der Annahme, dass das gesamte vorhandene Einkommen für den Lebensunterhalt der Ehegatten verwendet wurde und wird.
5. Konkreter Bedarf
Rz. 67
Bei sehr guten Einkommensverhältnissen besteht im Ausgangspunkt für die Unterhaltsberechtigte ein Wahlrecht zwischen quotaler (50 %) und konkreter Bestimmung des Bedarfs.
BGH, Beschl. v. 29.9.2021 – XII ZB 474/20 Rn 19
Außerdem ist das Oberlandesgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Unterhaltsberechtigte bei sehr guten Einkommensverhältnissen ein Wahlrecht hat, nach welcher Methode er seinen Unterhalt bemessen will.
Wegen weiterer Einzelheiten s.o. Rdn 46.
Rz. 68
Hinweis
Die konkrete Bedarfsbemessung dient nicht dazu, bei besonders guten finanziellen Verhältnissen einen möglichst hohen Bedarf zu errechnen. Sie ist vielmehr Folge daraus, dass der Unterhaltpflichtige nicht sein halbes Einkommen für Unterhalt zur Verfügung stellen muss. Dieser "Vorteil" für den Unterhaltspflichtigen darf jedoch der Unterhaltsberechtigten nicht zum Nachteil gereichen, ihr Lebensstandard soll vielmehr gewahrt werden.
Andererseits kann und darf die konkrete Bedarfsbemessung nicht zu einem höheren Bedarf als bei der quotalen Bedarfsbestimmung (Halbteilung) führen. Dies wird dadurch sichergestellt, dass im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit nicht nur für die Wahrung des Ehegattenmindestselbstbehalts (Verbleib von 1.280 EUR), sondern auch für die Wahrung des eheangemessenen Selbstbehalts (Verbleib der Hälfte der gemeinsamen Einkommen) zu sorgen ist.
Von beidem zu unterscheiden ist wiederum die Frage, wann der Unterhaltspflichtige diesen Standard nicht mehr sicherstellen muss, der Bedarf der Unterhaltsberechtigten sich also nicht mehr nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmt, sondern auf den angemessen...