Rz. 102
Der Antrag auf Erlass des Haftbefehls (§ 802g Abs. 1 ZPO) wird zweckmäßigerweise bereits im Auftrag auf Abgabe der Vermögensauskunft gestellt. § 143 Abs. 1 GVGV lautet:
Beantragt der Gläubiger gemäß § 802g Abs. 1 ZPO den Erlass eines Haftbefehls, so leitet der Gerichtsvollzieher den Antrag zusammen mit seiner Akte an das nach § 764 Abs. 2 ZPO zuständige Vollstreckungsgericht weiter.
Rz. 103
Der Antrag auf Erlass des Haftbefehls hat grundsätzlich schriftlich zu erfolgen. Einer Unterschrift bedarf es aber nicht zwingend. Die Übergabe der Vollstreckungsunterlagen und Erteilung eines Auftrags sind ausreichend. Bei einem Vollstreckungsauftrag muss gewährleistet werden, dass aus dem Schriftstück die Person erkennbar wird, die für seinen Inhalt die Verantwortung übernimmt. Dass eine Person erkennbar die Verantwortung für das elektronische Dokument übernimmt, ist nur gewährleistet, wenn die Anforderungen an ein gerichtliches elektronisches Dokument gemäß § 130b ZPO erfüllt sind. Eine zusätzliche Übermittlung in Papierform ist dann nicht erforderlich. Es reicht daher nicht aus, dass der Vollstreckungsauftrag auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO eingereicht wird.
Rz. 104
Rechtsanwälte und Behörden können den Antrag jedoch nur elektronisch stellen (§ 130d ZPO). Ein vereinfachter Antrag gem. § 754a Abs. 1 ZPO reicht dazu nicht aus. Diese Regelung erfasst ausschließlich an den Gerichtsvollzieher gerichtete Vollstreckungsaufträge und nicht auch einen an das Vollstreckungsgericht gerichteten Antrag auf Erlass eines Erzwingungshaftbefehls. Hat der Gläubiger unter Verwendung des amtlichen Formulars einen Globalauftrag erteilt, der mehrere Vollstreckungsmaßnahmen beinhaltet und die Reihenfolge vorgibt, in der diese zu erledigen sind (Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft, auf Erlass eines Haftbefehls nach § 802g ZPO für den Fall des unentschuldigten Fernbleibens oder der grundlosen Weigerung des Schuldners, auf Weiterleitung des Haftbefehlsantrags an das Amtsgericht und auf Weiterleitung des Haftbefehls nach dessen Erlass an den Gerichtsvollzieher sowie den Antrag auf Verhaftung des Schuldners), bedarf es nach Erlass des Haftbefehls nicht der Wiederholung des Verhaftungsantrags. Vielmehr hat der Gerichtsvollzieher das Vollstreckungsersuchen auch insoweit auszuführen, als es einen Antrag auf Verhaftung des Schuldners enthält. Die Entscheidung, den Haftbefehl zu erlassen, ist bei einem Globalvollstreckungsauftrag eine innerprozessuale Bedingung, die der Gerichtsvollzieher leicht nachprüfen kann.
Rz. 105
Im Zeitpunkt des Erlasses des Haftbefehls muss die Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft noch bestehen (Verfahrensvoraussetzungen, allgemeine und besondere Vollstreckungsvoraussetzungen, keine Vollstreckungshindernisse und die Voraussetzungen nach § 802g ZPO). Zuständig ist stets das Gericht, in dessen Bezirk der Schuldner im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages seinen Wohnsitz hatte (§ 802e ZPO). Das gilt auch dann, wenn der Gläubiger den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls erst nachträglich gestellt hat und der Schuldner zwischenzeitlich verzogen ist, weil das Vollstreckungsverfahren ein einheitliches Verfahren ist und der Haftbefehl gem. § 802g ZPO der Durchsetzung der Verpflichtungen gem. § 802c ZPO dient, die dem Auftrag an dem Gerichtsvollzieher zugrunde lagen. Bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls ist die Zustellung einer (weiteren) Zahlungsaufforderung nicht erforderlich. § 802f Abs. 4 ZPO bezieht sich nur auf die Abs. 1–3 der Vorschrift und nicht auf die Aufforderung nach § 802g ZPO.
Rz. 106
Wegen einer restlichen Zinsforderung (hier: 2,10 DM) kann die Erwirkung des Haftbefehls als unzulässige Rechtsausübung angesehen werden. Allerdings gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht, bei der Vollstreckung wegen einer Geldforderung die Dauer der Erzwingungshaft im Einzelfall unter Berücksichtigung der Höhe der Forderung kürzer zu bemessen.
Rz. 107
Bei der Entscheidung über den Antrag einer Behörde (z.B. FA) auf Erlass eines Haftbefehls ist der Richter zur eigenständigen Überprüfung der Vollstreckungsvoraussetzungen berechtigt und verpflichtet.
Rz. 108
Hat der Schuldner nach Erlass eines Haftbefehls in anderer Sache die Vermögensauskunft abgegeben, so ist für seine erneute Verhaftung kein Rechtsschutzinteresse gegeben. Es ist verfahrens- und verfassungswidrig, anstatt des vom Gläubiger beantragten Haftbefehls durch Zwischenentscheidung einen Vorführungsbefehl zu erlassen, um den Schuldner wegen seines Ausbleibens im Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft anzuhören. Ob eine solche Zwischenentscheidung auf Vorführung des Schuldners nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO selbstständig anfechtbar ist, kann dahinstehen, da jedenfalls eine Ausnahmebeschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit zulässig ist.
Rz. 109
Im Übrigen verletzt der Haftbefehl nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und...