Rz. 74
Hat der Anwalt seine Kanzlei zwar im Gerichtsbezirk, nicht aber in dem Ort, in dem sich das Gericht befindet (§ 27 Abs. 2 BRAO), kommt eine einschränkende Beiordnung nicht in Betracht. Nach § 121 Abs. 3 ZPO darf lediglich die Beiordnung eines nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts abgelehnt werden. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass ein im Gerichtsbezirk niedergelassener Anwalt immer beizuordnen ist, selbst wenn dadurch gegenüber einem am Gerichtsort ansässigen Anwalt Mehrkosten in Form von Reisekosten entstehen.
Rz. 75
Ein im Gerichtsbezirk niedergelassener oder wohnhafter Anwalt muss daher uneingeschränkt beigeordnet werden. Unschädlich ist die Beiordnung "zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts", weil das nur den Gesetzeswortlaut wiederholt.
Rz. 76
Unzulässig ist dagegen die Einschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts".
Rz. 77
Ist der Anwalt uneingeschränkt oder zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet worden, so sind die gesamten Reisekosten zu übernehmen, sofern sie notwendig waren, was bei der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung immer der Fall sein dürfte.
Rz. 78
Wird gesetzeswidrig – was häufig vorkommt – eine Einschränkung vorgenommen, etwa "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts", muss dagegen sofortige Beschwerde (§ 127 Abs. 2 ZPO) eingelegt werden, da anderenfalls die unzutreffende Beiordnung nach Ablauf eines Monats rechtskräftig wird (§ 127 Abs. 2 S. 3 ZPO) und für das spätere Festsetzungsverfahren bindend bleibt. Strittig ist, wer insoweit beschwerdeberechtigt ist. Nach zutreffender Ansicht sind insoweit sowohl der Anwalt als auch der bedürftige Beteiligte beschwerdeberechtigt.
Beispiel 35: Reisekosten des Anwalts aus dem Gerichtsbezirk (uneingeschränkte Beiordnung)
Der Anwalt hat seine Kanzlei in Garmisch-Partenkirchen und vertritt seinen Mandanten in einem Verfahren vor dem LG München II (Wert: 6.000,00 EUR). Er wird dem Mandanten ohne Einschränkung im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet und nimmt am Termin zur mündlichen Verhandlung teil.
Die Beiordnung war ohne Einschränkung auszusprechen, da Garmisch-Partenkirchen im Bezirk des LG München II liegt. Da auch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung notwendig war, erhält der Anwalt seine Reisekosten aus der Landeskasse (Entfernung: Garmisch-Partenkirchen – München, 91 km).
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, § 49 RVG |
|
383,50 EUR |
|
(Wert: 6.000,00 EUR) |
|
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, § 49 RVG |
|
354,00 EUR |
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(Wert: 6.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
4. |
Fahrtkosten Pkw, Nr. 7003 VV, |
|
76,44 EUR |
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2 × 91 km × 0,42 EUR/km |
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5. |
Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 2 VV |
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50,00 EUR |
6. |
Parkgebühren (netto) |
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3,36 EUR |
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Zwischensumme |
887,30 EUR |
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7. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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168,59 EUR |
Gesamt |
|
1.055,89 EUR |
Rz. 79
Beispiel 36: Reisekosten des Anwalts aus dem Gerichtsbezirk (eingeschränkte Beiordnung)
Wie vorangegangenes Beispiel 35; jedoch ist der Anwalt zu den Bedingungen eines in München ansässigen Anwalts beigeordnet worden.
Da die Beiordnung mit Einschränkung erfolgt ist, erhält der Anwalt jetzt seine Reisekosten nicht aus der Landeskasse. Die eingeschränkte Beiordnung war zwar unzulässig, ist aber gleichwohl bindend, solange sie nicht erfolgreich angefochten worden ist.
Der Anwalt erhält jetzt nur:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, § 49 RVG |
|
383,50 EUR |
|
(Wert: 6.000,00 EUR) |
|
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, § 49 RVG |
|
354,00 EUR |
|
(Wert: 6.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
757,50 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
143,93 EUR |
Gesamt |
|
901,43 EUR |
Unabhängig von der Streitfrage, ob der auswärtige beigeordnete Anwalt die bedürftige Partei auf Zahlung der Reisekosten überhaupt in Anspruch nehmen darf (siehe unten Rdn 100 ff.), kommt dies hier nicht in Betracht, da der Anwalt sich infolge der unterlassenen Beschwerde gegen den Beiordnungsbeschluss schadensersatzpflichtig gemacht hat, sodass er diese Vergütung vom Mandanten nicht verlangen darf.