Rz. 83
Ein Anspruch auf uneingeschränkte Beiordnung des auswärtigen Anwalts besteht dann, wenn die bedürftige Partei einen Anspruch auf Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO hat und die zu erwartenden Reisekosten die Kosten eines Verkehrsanwalts nicht übersteigen.
Rz. 84
Gleiches gilt, wenn die bedürftige Partei einen Anspruch auf die zusätzliche Beiordnung eines Beweisanwalts hätte. Diese Variante hat in der Praxis allerdings keine Bedeutung, sodass hier nicht weiter darauf eingegangen wird. Soweit ein solcher Fall auftreten sollte, gilt das Gleiche wie beim Verkehrsanwalt.
Rz. 85
In diesen Fällen handelt es sich bei den Reisekosten nicht mehr um "weitere Kosten" i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO, also um nicht um Mehrkosten, weil durch die Beiordnung des auswärtigen Anwalts die Kosten eines zusätzlichen Verkehrsanwalts erspart werden, der dann selbstverständlich nicht mehr beigeordnet werden kann, ebenso wenig wie ein Terminsvertreter.
Beispiel 37: Reisekosten des auswärtigen Anwalts (uneingeschränkte Beiordnung, ein Termin)
Der Beklagte wird vor dem LG Köln auf Zahlung von 10.000,00 EUR verklagt. Er beantragt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Hannoveraner Prozessbevollmächtigten.
Durch die Beiordnung eines Hannoveraner Prozessbevollmächtigten würden zwar Reisekosten entstehen, da dieser Anwalt von Hannover nach Köln (Entfernung: 295 km) zum Termin reisen müsste; dabei würde es sich jedoch nicht um Mehrkosten handeln.
… |
Fahrtkosten Pkw, Nr. 7003 VV, |
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247,80 EUR |
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2 × 295 km × 0,42 EUR/km |
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... |
Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 3 VV |
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80,00 EUR |
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Zwischensumme |
327,00 EUR |
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Hätte der Beklagte einen Prozessbevollmächtigten in Köln beauftragt, so hätte ihm nach § 121 Abs. 4 ZPO zusätzlich ein Anspruch auf einen Verkehrsanwalt in Hannover zugestanden. Dafür wären angefallen:
1. |
1,0-Verfahrensgebühr, Nrn. 3400, 3100 VV, § 49 RVG |
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339,00 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
359,00 EUR |
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Diese Verkehrsanwaltskosten werden jetzt aber dadurch erspart, dass der Prozessbevollmächtigte selbst zum Termin anreist. Folglich sind die Reisekosten in Höhe der ersparten Aufwendungen keine "Mehrkosten". Der Hannoveraner Anwalt muss daher uneingeschränkt beigeordnet werden.
Rz. 86
Umstritten ist, ob eine Beschränkung dahingehend zulässig ist, dass die Reisekosten nur bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts aus der Landeskasse übernommen werden. Die Praxis verfährt überwiegend so, allerdings zu Unrecht. Das Gesetz sieht eine solche Einschränkung jedoch nicht vor. Damit wird das Prognoserisiko, dass die Reisekosten letztlich höher ausfallen als veranschlagt, unzulässiger Weise auf die bedürftige Partei verlagert.
Beispiel 38: Reisekosten des auswärtigen Anwalts (uneingeschränkte Beiordnung, mehrere Termine)
Wie vorangegangenes Beispiel 37; es kommt jedoch zu zwei Verhandlungsterminen.
Die Reisekosten des Hannoveraner Verfahrensbevollmächtigten berechnen sich jetzt wie folgt:
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Fahrtkosten Pkw, Nr. 7003 VV, |
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247,80 EUR |
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2 × 295 km × 0,42 EUR/km (1. Termin) |
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... |
Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 3 VV |
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80,00 EUR |
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(1. Termin) |
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… |
Fahrtkosten Pkw, Nr. 7003 VV, |
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247,80 EUR |
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2 × 295 km × 0,42 EUR/km (2. Termin) |
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... |
Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 3 VV |
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80,00 EUR |
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(2. Termin) |
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Zwischensumme |
655,60 EUR |
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... |
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Die Kosten eines Verkehrsanwalts lägen aber nach wie vor unverändert bei:
1. |
1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3400, 3100 VV, § 49 RVG |
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339,00 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
359,00 EUR |
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... |
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Soweit man eine Beschränkung der aus der Landeskasse zu zahlenden Reisekosten auf die Kosten des Verkehrsanwalts zulässt, würde der Anwalt nur 359,00 EUR erhalten. Zur Frage, ob er sich wegen des Fehlbetrags an den bedürftigen Beteiligten wenden kann, siehe Rdn 100 ff.
Soweit man eine Beschränkung auf die Kosten eines Verkehrsanwalts nicht zulässt, müsste die Landeskasse die gesamten Reisekosten übernehmen.
Rz. 87
Zutreffend ist die Auffassung, die eine einschränkende Beiordnung ablehnt. Das Gericht muss selbst kalkulieren, wie sich das Verfahren entwickelt. So spart die Landeskasse im Beispiel 37 netto 31,00 EUR gegenüber einem Verkehrsanwalt. Wäre es nicht zu einem Termin gekommen, etwa im Falle eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO, wären sogar die vollen Reisekosten (327,00 EUR) eingespart worden. Im Beispiel 38 ergeben sich dagegen Mehrkosten in Höhe von 328,60 EUR gegenüber den Kosten eines Verkehrsanwalts. Dass die Reisekosten unterhalb der Kosten des Verkehrsanwalts liegen, dürfte der Regelfall sein, sodass die Staatskasse im Regelfall Geld spart, wenn der auswärtige Anwalt bereit ist, selbst zu reisen. Dann muss sie aber auch in den wenigen Ausnahmefällen, in denen die Reisekosten höher liegen, diese Mehrkosten zu tragen. Immerhin hat es das Gericht ja selbst in der Hand, wie viele Termine es für das Verfahren benötigt. Diese...