1. Überblick
Rz. 65
Der im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt erhält gem. § 45 RVG auch Ersatz seiner Auslagen nach den Nrn. 7000 ff. VV, es sei denn, diese waren zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich (§ 46 Abs. 1 RVG). Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Erforderlichkeit liegt bei der Staatskasse.
2. Dokumentenpauschale
Rz. 66
Hinsichtlich der Dokumentenpauschale gelten für den beigeordneten Anwalt keine Besonderheiten. Soweit das Anfertigen von Ablichtungen oder Ausdrucken oder das Überlassen von Dateien notwendig war, erhält auch der beigeordnete Anwalt seine entsprechenden Auslagen aus der Staatskasse.
3. Berechnung der Postentgeltpauschale
Rz. 67
Auch der beigeordnete Rechtsanwalt kann anstelle der konkret angefallenen Post- und Telekommunikationsentgelte eine Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV verlangen. Die Pauschale berechnet sich nach den Gebührenbeträgen des § 49 RVG, nicht nach den höheren Beträgen des § 13 RVG. Dies ist mit dem 2. KostRMoG durch die Einfügung der neuen Anm. Abs. 2 zu Nr. 7002 VV geregelt worden. In der Praxis hat dies kaum Bedeutung, da die PKH-Gebühren bei Werten von über 4.000,00 EUR in der Regel über 100,00 EUR liegen und damit die Höchstgrenze der Pauschale (20,00 EUR) bereits erreicht ist. Bedeutung hat dies nur bei geringen Gebührensätzen, wie in der Zwangsvollstreckung.
Beispiel 34: Berechnung der Postentgeltpauschale
Der Anwalt vertritt seinen Mandanten in einem Zwangsvollstreckungsverfahren (Wert: 5.000,00 EUR), in dem er ihm im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden ist.
Der Wahlanwalt würde wie folgt abrechnen:
1. |
0,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3309 VV, § 13 RVG |
|
100,20 EUR |
|
(Wert: 5.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
120,20 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
22,84 EUR |
Gesamt |
|
143,04 EUR |
Der PKH-Anwalt erhält dagegen nur:
1. |
0,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3309 VV, § 49 RVG |
|
85,20 EUR |
|
(Wert: 5.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
17,04 EUR |
|
Zwischensumme |
102,24 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
19,43 EUR |
Gesamt |
|
121,67 EUR |
4. Reisekosten
a) Überblick
Rz. 68
Bei der Behandlung des auswärtigen Rechtsanwalts müssen drei verschiedene Fälle auseinander gehalten werden. Zu unterscheiden ist zwischen
▪ |
dem Anwalt, der am Gerichtsort ansässig ist (siehe Rdn 71 ff.), |
▪ |
dem im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalt, der seine Kanzlei aber außerhalb des Gerichtorts hat (siehe Rdn 74), |
und
▪ |
dem nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalt (siehe Rdn 80 ff.). |
Rz. 69
Zur Berechnung der Reisekosten siehe § 38 Rdn 79 ff. Hinsichtlich der Höhe der Auslagen gilt für den beigeordneten Anwalt nichts Abweichendes. Der beigeordnete Rechtsanwalt kann frei wählen, ob er zu einem vom Gericht angeordneten Termin mit der Bahn oder seinem eigenen Kfz fährt (Nrn. 7003, 7004 VV). Es ist keine Vergleichsberechnung hinsichtlich der Bahn- und Kfz-Kosten durchzuführen. Es sind nicht nur die Kosten des billigeren Verkehrsmittels zu erstatten.
Rz. 70
Der Anwalt kann gegebenenfalls vor Beginn einer Reise deren Notwendigkeit nach § 46 Abs. 2 S. 1 RVG feststellen lassen. Diese Feststellung ist für das Festsetzungsverfahren bindend.
b) Der beigeordnete Anwalt ist am Gerichtsort ansässig
Rz. 71
Hat der beigeordnete Anwalt seine Kanzlei am Gerichtsort, fallen für die Wahrnehmung gerichtlicher Termine keine Reisekosten an, da es insoweit an einer Geschäftsreise (Vorbem. 7 Abs. 2 VV) fehlt.
Rz. 72
Soweit es zu auswärtigen Terminen kommt, etwa einem auswärtigen Sachverständigentermin, einem Termin vor einem Rechtshilfegericht o.Ä., erhält der Anwalt seine Reisekosten aus der Landeskasse, ohne dass es einer Erweiterung der Beiordnung bedarf.
Rz. 73
Das Gleiche gilt, wenn der Rechtsstreit nach Beiordnung an ein anderes Gericht abgegeben oder verwiesen wird und der Anwalt dorthin reisen muss.
c) Der beigeordnete Anwalt ist im Gerichtsbezirk niedergelassen, hat seine Kanzlei aber außerhalb des Gerichtsorts
Rz. 74
Hat der Anwalt seine Kanzlei zwar im Gerichtsbezirk, nicht aber in dem Ort, in dem sich das Gericht befindet (§ 27 Abs. 2 BRAO), kommt eine einschränkende Beiordnung nicht in Betracht. Nach § 121 Abs. 3 ZPO darf lediglich die Beiordnung eines nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts abgelehnt werden. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass ein im Gerichtsbezirk niedergelassener Anwalt immer beizuordnen ist, selbst wenn dadurch gegenüber einem am Gerichtsort ansässigen Anwalt Mehrkosten in Form von Reisekosten entstehen.
Rz. 75
Ein im Gerichtsbezirk niedergelassener oder wohnhafter Anwalt muss daher uneingeschränkt beigeordnet werden. Unschädlich ist die Beiordnung "zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts", weil das nur den Gesetzeswortlaut wiederholt.
Rz. 76
Unzulässig ist dagegen die Einschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts".
Rz. 77
Ist der Anwalt uneingeschränkt oder zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet worden, so sind die gesamten Reisekosten zu übernehmen, sofern sie notwendig waren, was bei der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung im...