Rz. 1

Das deutsche Erbrecht folgt einem privatautonomen Konzept. Dies gilt auch für die Vergütung des Testamentsvollstreckers. Es bleibt den Beteiligten – Erblasser, Testamentsvollstrecker und Erben – überlassen, sie festzusetzen oder zu vereinbaren. Jedenfalls fehlt eine gesetzliche Rahmenregelung mit verlässlichen Parametern für die Höhe der Vergütung. Kommt es nicht zu einer privatautonomen Regelung, sind die Streitgerichte berufen, über die Vergütung zu entscheiden.

 

Rz. 2

In der Literatur werden verschiedene Vorschläge gemacht, wie die Höhe der Testamentsvollstreckervergütung ermittelt werden kann. Dabei wurden auch "Tabellen" zur Verfügung gestellt. Diese sind als Hilfsmittel zur Ermittlung der Angemessenheit in der Praxis sehr beliebt, sie werden aber oft missverstanden und zu sehr als "bare Münze" genommen.

Es ist also zu fragen, welche Funktion die vorgeschlagenen "Tabellen" haben können. Ordnet man die Frage systematisch in das Recht der Testamentsvollstreckung ein, ergibt sich Folgendes:

1. Gesetzliche Grundlage

 

Rz. 3

Das Gesetz selbst enthält in § 2221 BGB nur die Aussage, dass der Testamentsvollstrecker für die Führung seines Amtes eine "angemessene Vergütung" verlangen kann. Zugleich wird aber auch gesagt, dies gelte nur, "soweit nicht der Erblasser ein anderes bestimmt hat".

2. Vorrang des Erblasserwillens

 

Rz. 4

Das Gesetz (§ 2221 BGB) geht somit bei der Vergütung des Testamentsvollstreckers vom Vorrang des Erblasserwillens aus. Nur wenn in der letztwilligen Verfügung die Vergütung nicht wirksam festgesetzt und aus ihr auch nicht zu entnehmen ist, dass die Testamentsvollstreckung unentgeltlich zu führen sei, und sich auch durch Auslegung der letztwilligen Verfügungen nichts anderes ergibt, kann der Testamentsvollstrecker eine angemessene Vergütung verlangen. Wenn ein Erblasser selbst die Vergütung festsetzt, spielen Tabellen regelmäßig keine Rolle, es sei denn, der Erblasser hat, was möglich ist, ihre Maßgeblichkeit verfügt (zu dann möglichen Problemen siehe Rdn 81 ff.). Wenn der Erblasser eine Vergütung ausgeschlossen hat, ist die hier zu behandelnde Problematik ohne Relevanz.

In der Rechtswirklichkeit enthalten nach den verfügbaren empirischen Untersuchungen[1] Verfügungen von Todes wegen, in denen Testamentsvollstreckung angeordnet ist, nur in geringem Umfang Aussagen über die Höhe der Vergütung des Testamentsvollstreckers. Die (gesetzliche) Ausnahme ist somit die (faktische) Regel.

[1] Vgl. Reinfeldt, Die vom Erblasser bestimmte Vergütung des Testamentsvollstreckers, Diss. 2013.

3. Wertvergütung als maßgebliches Modell

 

Rz. 5

Fehlt eine Aussage des Erblassers zur Vergütung, hat diese nach § 2221 BGB angemessen zu sein. Der Grundsatz der Angemessenheit, der in § 2221 BGB verankert ist, beinhaltet zum einen

das Differenzierungsgebot,

zum anderen

das Äquivalenzprinzip.

Aufgrund des Differenzierungsgebots ist im Rahmen der erforderlichen Einzelfallbetrachtung auf die vom Testamentsvollstrecker konkret entfaltete Tätigkeit abzustellen. Generalisierende Aussagen sind deshalb nur in eingeschränktem Umfang und nur als Basis für weitere Differenzierungen, die den Einzelfall berücksichtigen, möglich.

Das Äquivalenzprinzip bedeutet, dass der Testamentsvollstrecker Anspruch auf eine Vergütung hat, die seiner Tätigkeit, seinem Aufwand und seiner Verantwortung, aber auch seinem Erfolg oder Misserfolg entspricht.

 

Rz. 6

Als maßgebend gilt daher heute die Wertvergütung,[2] obwohl in der Literatur auch für eine Zeitvergütung plädiert wird.[3] Eine Zeitvergütung kann sich allerdings im Einzelfall – auch wenn man im Übrigen von der Wertvergütung ausgeht – aus der besonderen Struktur des Nachlasses ergeben, insbesondere bei geringer Werthaltigkeit, aber aufwändigen Abwicklungs- und Verwaltungsmaßnahmen.

 

Rz. 7

Gelegentlich wird auch eine Kombination der Wertvergütung und der Zeitvergütung angemessen sein, insbesondere bei hohen Geschäftswerten, bei denen eine uneingeschränkte Anwendung der Wertvergütung nach den maßgeblichen Tabellen unangemessen wäre. In solchen Fällen kann es sich empfehlen, ab einem bestimmten Wert eine Zeitvergütung oder eine Vergütung anhand anderer Kriterien, etwa durch Bezugnahme auf bestimmte Gehaltsgruppen, festzusetzen (vgl. dazu Rdn 72).

[2] BGH NJW 1967, 2400; WM 1972, 101; ZEV 2005, 22 = FamRZ 2005, 207; OLG Köln RNotZ 2007, 548; Grüneberg/Weidlich, § 2221 Rn 3; Staudinger/Dutta, Bearb. 2021, § 2221 Rn 34 ff.
[3] MüKo/Zimmermann, § 2221 BGB Rn 26; Rott, ErbR 2017, 386, 389 f.; Kraft, ZEV 2019, 678.

4. Funktion von Vergütungstabellen

 

Rz. 8

Mit der Option für die Wertvergütung allein ist das Angemessenheitsproblem noch nicht gelöst. Es stellt sich dann die Frage, welcher Prozentsatz für die Vergütung angemessen ist. Nötig sind Leitlinien für die Berechnung. Die Vergütungstabellen übernehmen diese Funktion. Mit ihrer Hilfe wird ein Vergütungsgrundbetrag ermittelt.

 

Rz. 9

Die Tabellen wurden erstellt, um die "angemessene" Vergütung im Sinne von § 2221 BGB zu ermitteln. Sie fassen die Erfahrungen von Praktikern zusammen und sollen ein Hilfsmittel für die Ermittlung der Angemessenheit im Sinne des Gesetzes darstellen. Sie stellen ...

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