I. Gesetzliche Vergütung zu niedrig
Rz. 1
Vergütungsvereinbarungen sind immer dann geboten, wenn die gesetzlichen Gebühren keine angemessene Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwaltes darstellen.
Rz. 2
Der Rechtsanwalt kann mit seinem Mandanten eine von der Vergütung nach RVG abweichende Vergütungsvereinbarung treffen. Aus seiner Vertragsfreiheit (bis auf wenige Ausnahmen, z.B. wenn der Rechtsanwalt gemäß § 48 BRAO im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden ist, gemäß § 49 BRAO, wenn er zum Pflichtverteidiger oder Beistand beigeordnet ist, und gemäß § 49a BRAO aus der Verpflichtung der Übernahme einer Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz folgt, dass der Rechtsanwalt nicht verpflichtet ist, zu den gesetzlichen Gebühren einen Auftrag anzunehmen. Er kann die Annahme eines Auftrags sogar davon abhängig machen, dass höhere Gebühren gezahlt werden.
Rz. 3
Zu beachten ist hierbei, dass der Rechtsanwalt die Kosten für die Führung der Kanzlei, seine Angestellten und sein Inventar bestreiten muss. Zudem muss er nach Abzug der Einkommensteuer durch seine Einnahmen in der Lage sein, sich und evtl. eine Familie zu ernähren sowie eine angemessene Vorsorge für Krankheit und Alter treffen zu können.
Rz. 4
Viele Anwälte sind der Meinung, dass eine Vergütungsvereinbarung nur in Ausnahmefällen geschlossen werden sollte. Diese Annahme beruht jedoch oft darauf, dass keine Kostenkalkulationen vorgenommen werden und so letztendlich der Rechtsanwalt nicht weiß, was er wirklich "verdienen" muss, damit unter dem Strich noch etwas für ihn übrig bleibt. Eine – grobe – Schätzung kann man überschlägig erreichen, wenn man sich Folgendes vor Augen hält: Geht man von dem Gebühreneinkommen aus (100 %) und bringt 50 % Kanzleikosten (Raumkosten, Personalkosten, etc.) davon in Abzug, verbleiben 50 % Gewinn. Bei einem Steuersatz von ca. 40 % verbleiben netto ca. 30 % des ursprünglichen Gebühreneinkommens. Hiervon sind die oben erwähnten, einem Anwalt standesgemäß zustehenden, Lebenshaltungs- und Altersvorsorgekosten zu bestreiten. Führt man die Rechnung anhand einer Kostenberechnung für den Mandanten durch, kann man sehen, welcher Betrag tatsächlich als Rein-Gewinn für den Rechtsanwalt übrig bleibt. Vergleicht man diesen Gewinn mit den Arbeitsstunden für diesen entsprechenden Fall, ergibt sich, dass in der Regel die gesetzlichen Gebühren nicht ausreichend sind, um auch nur die Kosten zu decken.
Rz. 5
Wer sich für die ortsüblichen Stundensätze und weitere Themen rund um die Vergütungsvereinbarung interessiert, dem werden die Forschungsberichte des Soldaninstituts wärmstens empfohlen, hier insbesondere das Vergütungsbarometer.
II. Freigabe des Beratungsbereichs
Rz. 6
Die Notwendigkeit des Abschlusses einer Vereinbarung ergibt sich aber auch aus der Tatsache, dass der Rechtsanwalt seit dem 1.7.2006 in Beratungsangelegenheiten eine Gebührenvereinbarung schließen soll und nicht mehr nach dem Gegenstandswert abrechnen kann, vgl. § 5 Rdn 69.
III. Gesetzliche Vergütung ist zu hoch
Rz. 7
Es kommt auch vor, dass die Tätigkeit des Anwalts sehr hohe Gebühren auslöst, da der Gegenstandswert bei sehr vermögenden Mandanten im Familienrecht, insbesondere im Güterrecht oder bei zusätzlicher Gestaltung eines Erbvertrags hohe Gebühren auslösen kann.
Rz. 8
Die Unterschreitung der gesetzlichen Vergütung ist außergerichtlich nicht problematisch, wenn die Vergütung im angemessenen Verhältnis zu Leistung und Haftungsrisiko steht (vgl. auch Rdn 12 f.). In gerichtlichen Verfahren darf allerdings eine Unterschreitung der gesetzlichen Vergütung nur dann erfolgen, wenn ein nach dem Gesetz seit dem 1.7.2008 erlaubtes Erfolgshonorar (Ausnahme!) vereinbart worden ist (vgl. dazu Rdn 130 ff.), oder aber nur im Einzelfall am Ende eines Mandats, um z.B. der besonderen Bedürftigkeit des Mandanten Rechnung zu tragen (dann auch in gerichtlichen Angelegenheiten), vgl. § 49b Abs. 1 S. 2 BRAO.