Rz. 80
§ 1298 Abs. 1 BGB gewährt dem Verlobten, der nicht vom Verlöbnis zurückgetreten ist, zwei unterschiedliche Schadenersatzansprüche. Die Ansprüche zielen auf Ersatz des negativen Interesses. Der Verlobte soll so gestellt werden, wie er stünde, hätte er dem Eheversprechen nicht vertraut und die entsprechende Maßnahme nicht getroffen.
a) Anspruch nach § 1298 Abs. 1 S. 1 BGB
Rz. 81
Gemäß § 1298 Abs. 1 S. 1 BGB hat der Zurückgetretene dem Verlobten den Schaden zu ersetzen, der daraus entstanden ist, dass er in Erwartung der Ehe Aufwendungen gemacht hat oder Verbindlichkeiten eingegangen ist. Anspruchsinhaber ist danach der Verlobte, der nicht von dem Verlöbnis zurückgetreten ist, aber Aufwendungen getätigt hat und/oder Verbindlichkeiten eingegangen ist, da er die Erwartung hatte, mit dem anderen, zurückgetretenen Verlobten die Ehe zu schließen.
Rz. 82
Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer, die in Erwartung der Ehe erbracht wurden. Hierzu gehören beispielsweise Anschaffungen für einen künftig gemeinsam geführten Haushalt, Kauf eines Brautkleides oder aber Umzugskosten, die angefallen sind, um gemeinsam in einer Wohnung zu leben. Auch die Inanspruchnahme unbezahlten Urlaubs wäre ein in Erwartung der Ehe freiwillig erbrachtes Vermögensopfer. In Betracht kommen aber auch Dienste, soweit sie der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Leistenden zuzuordnen sind, also zum Beispiel Handwerksarbeiten an dem im Eigentum des Verlobten stehenden Hauses.
Rz. 83
Verbindlichkeiten mit einem Dritten im Sinne des § 1298 BGB sind solche, die im Hinblick auf eine Eheschließung eingegangen wurden. Das kann beispielsweise ein Darlehen sein, das aufgenommen wurde, um gemeinsam zu nutzenden Hausrat anzuschaffen oder eine Eigentumswohnung im Hinblick auf künftiges eheliches Wohnen zu erwerben. Der Zweck darf sich aber nicht allein in dem Zusammenleben erschöpfen. Die Verbindlichkeit muss gerade zur Eingehung der Ehe gedacht gewesen sein. Deshalb können Verbindlichkeiten in diesem Sinne auch der Abschluss eines Miet- oder Kaufvertrages sein oder etwa die Bestellung von Waren für eine Hochzeitsfeier.
Rz. 84
Hinweis
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Anspruchsinhaber eines Schadenersatzanspruchs nach § 1298 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Verlobte, der nicht vom Verlöbnis zurückgetreten ist und in Erwartung der Ehe Aufwendungen getätigt hat und/oder Verbindlichkeiten eingegangen ist. |
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Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer, die in Erwartung der Ehe getätigt wurden. |
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Verbindlichkeiten sind solche, die im Hinblick auf die Ehe eingegangen wurden. |
b) Anspruch nach § 1298 Abs. 1 S. 2 BGB
Rz. 85
Gemäß § 1298 Abs. 1 S. 2 BGB kann der Verlobte, der nicht vom Verlöbnis zurückgetreten ist, von dem anderen zusätzlich den Schaden ersetzt verlangen, den dieser dadurch erleidet, dass er in Erwartung der Ehe sonstige sein Vermögen oder seine Erwerbstellung berührenden Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen in diesem Sinne umfassen damit die Fälle, die nicht bereits als Aufwendungen (freiwillige Vermögensopfer) oder Eingehen von Verbindlichkeiten (Aufnahme von Darlehen oder Abschluss von Verträgen) zu qualifizieren sind, aber dennoch zu einem Vermögensschaden auf Seiten des nicht Zurückgetretenen führen. Hierzu zählt beispielsweise die Aufgabe einer beruflichen Stellung oder die Veräußerung von Vermögen. Auch der Verzicht auf einen Anspruch oder die Durchsetzung eines Anspruchs kann eine "sonstige Maßnahme" sein.
Rz. 86
Hinweis
Der Verlobte, der nicht vom Verlöbnis zurückgetreten ist, kann neben dem Schadenersatzanspruch aus § 1298 Abs. 1 S. 1 BGB auch noch den Schaden ersetzt verlangen, den dieser dadurch erleidet, dass er in Erwartung der Ehe sonstige sein Vermögen oder seine Erwerbstellung berührenden Maßnahmen getroffen hat.
c) In Erwartung der Ehe
Rz. 87
Sowohl den Verbindlichkeiten als auch den Aufwendungen ist gemeinsam, dass sie in Erwartung der Ehe gemacht worden sein müssen. Es wird nur das Vertrauen auf die Eheerfüllung geschützt. Die erwartete Ehe muss dabei der Hauptbeweggrund sein. Anderweitige Nebenmotive sind unschädlich. Es bedarf also der Feststellung, dass die festgestellten Vermögensdispositionen unterblieben wären, wenn der Anspruchsinhaber von dem Scheitern des Verlöbnisses gewusst hätte. Damit sind Kosten, die angefallen sind, um den anderen Verlobten zu besuchen, wie Bahn-, Flug- oder Taxikost...